Ein Kuss und Schluss
»Solltest du nicht längst in New Orleans sein?«
Renee warf Paula einen verzweifelten Blick zu. »Gibt es noch irgendjemanden, der nicht weiß, welches Fluchtziel ich mir ausgesucht hatte?«
»Wo ist das Problem?«, fragte Steve. »Glaubst du, ich würde es sofort den Bullen weitererzählen?«
Renee war sich nicht so sicher, dass er es nicht tun würde. Vor allem, nachdem er nähere Bekanntschaft mit ihrem Knie gemacht hatte.
»Natürlich würde er das nicht tun«, sagte Paula zu Renee, bevor sie sich wieder zu Steve umdrehte. »Renee braucht Geld. Hast du was dabei?«
»Tut mir Leid. Bin völlig abgebrannt.«
Renee stieß angewidert den Atem aus. »Was ist los? Hast du gestern Abend auf das falsche Pferd gesetzt und alles bis auf deine Zahnfüllungen verloren?«
Steve setzte tatsächlich eine verletzte Miene auf, obwohl es zwischen den vielen blauen Flecken nur schwer zu erkennen war. Es war nicht das erste Mal, dass Renee ihn in einem solchen Zustand sah. Zweifellos wieder eine Kneipenschlägerei. Wann suchte er sich endlich einen richtigen Job?
»Renee«, sagte Steve. »Ich weiß, dass du im Augenblick ziemlich unter Druck stehst, aber musst du wirklich so ausfallend werden? Ich würde dir gerne helfen. Allerdings habe ich zur Zeit einfach kein Geld in der Tasche.«
Zu Renees Überraschung klangen seine Worte völlig ehrlich, und sie machte sich Vorwürfe, dass sie ihn so behandelte. Steve und Tom wollten ihr helfen, während sie es am nötigsten hatte, und ihr fiel nichts Besseres ein, als sofort auf die beiden loszugehen. Sie konnte jetzt jeden Freund gebrauchen.
Renee schnaufte frustriert. »Tut mir Leid, Steve. Ich ... ich kann es einfach nicht fassen, dass ich in dieser Scheiße stecke.«
»Ich fasse es auch nicht«, sagte Steve. »Wenn ich dich an jenem Abend früher gesehen hätte, hätte ich dir ein Alibi verschaffen können. Dann wärst du erst gar nicht verhaftet worden.«
Wieder überraschte sie das aufrichtige Bedauern in seiner Stimme. »Daran lässt sich im Augenblick leider nichts ändern.«
»Wenn es hart auf hart kommt, werde ich natürlich für dich aussagen. Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst.«
»Leider würde es mir nichts nützen, Steve. Trotzdem ... danke.«
»He! Was zum Henker hat die hier zu suchen?«
Erneut fuhr Renee herum und sah eine Frau im Türrahmen stehen. Ihre Augen waren von verblassten Schatten aus Mascara umringt, und ihr gebleichtes Haar stand wie eine Halloween-Hexenfrisur in alle Richtungen ab.
Rhonda!
Das konnte einfach nicht sein! Es war wie bei den kleinen Wagen im Zirkus, aus denen ein Clown nach dem anderen stolperte. Wenn man glaubte, es konnte unmöglich noch einer drin sein, kam immer noch einer heraus.
Rhonda stolzierte herein. Sie trug nur ein bauchfreies T-Shirt, Bikini-Unterwäsche und einen hasserfüllten Ausdruck auf dem Gesicht. Renee versank im Sofa und wünschte sich, sie hätte eine Hand voll Aspirintabletten und einen kräftigen Drink. »Gibt es noch irgendwen auf diesem Planeten, der nicht weiß, wo ich bin?«
»Renee, mach dir keine Sorgen«, sagte Paula. »Wir alle sind deine Freunde. Wir wissen, dass du es nicht getan hast.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Vier zornige Augenpaare wandten sich Rhonda zu. »Was erwartet ihr von mir? Ich meine, alle Beweise deuten darauf hin, dass sie es war. Woher wollen wir wissen, dass sie die Wahrheit sagt?«
»Rhonda!«, sagte Steve.
Sie reckte das Kinn in die Luft. »Ich habe das Recht auf eine eigene Meinung.« Sie wandte sich an Renee. »Wieso bist du überhaupt noch hier und nicht in New Orleans?«
Renee vergrub das Gesicht in den Händen, als ihre Verzweiflung den absoluten Tiefpunkt erreichte. Sie hätte genauso gut Flugblätter verteilen können, die ihr Foto und eine Karte der USA mit einem dicken roten Kreis um New Orleans zeigten.
»Ich meine, wenn du untertauchen willst, solltest du es etwas geschickter anstellen.«
»Halt die Klappe, Rhonda«, sagte Steve. »So blöd kann doch niemand sein und ...«
»Ich sagte, halt die Klappe!«
Rhonda kniff wütend die Augen zusammen. »Ich hätte es wissen müssen, dass du auf ihrer Seite stehst.« Sie wirbelte herum, stapfte ins Gästezimmer zurück und schlug die Tür hinter sich zu.
»Ich muss mich für sie entschuldigen«, sagte Steve matt. »Rhonda ist eigentlich gar nicht so bösartig. Sie ist nur ein wenig eifersüchtig.«
Die Blicke, die zwischen allen Anwesenden ausgetauscht wurden, besagten, dass Steve
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