Ein Kuss und Schluss
soeben zweimal kräftig untertrieben hatte. Rhonda war sehr eifersüchtig, und sie war wirklich bösartig.
»Sie glaubt, Steve liebt dich immer noch«, erklärte Paula.
»So ein Blödsinn!«, sagte Renee, doch Steves Blick ließ vermuten, dass es möglicherweise doch kein Blödsinn war.
»Wenn du in der Nacht des Überfalls geblieben wärst, um mit mir zu reden, wäre alles ganz anders gekommen«, sagte Steve.
Natürlich meinte er in Wirklichkeit, wenn du mich nicht zurückgewiesen hättest. Aber in diesem Punkt wollte sie sich keine Vorwürfe machen. Steve war in jener Nacht aufdringlich und unausstehlich gewesen, und sie hatte völlig richtig gehandelt, als sie ihn auf Distanz gehalten hatte. Bedauerlich war daran nur, dass die Dinge anschließend einen unangenehmen Verlauf genommen hatten.
»Steve, darüber möchte ich eigentlich nicht diskutieren.«
»Ich wollte dir nur sagen, wie ich dazu stehe. Immerhin kann es sein, dass ich dich nie wiedersehe.«
Sie war davon ausgegangen, dass Steve ihr niemals verzeihen würde, dass sie ihm ein Knie in den Unterleib gerammt hatte. Aber jetzt tat er, als spielte das überhaupt keine Rolle. Er hatte ihr sogar angeboten, für sie auszusagen. Tränen stiegen ihr in die Augen. Nicht dass sie noch irgendetwas von Steve gewollt hätte, aber es tat einfach gut, dass die alte Feindschaft zwischen ihnen offenbar nachgelassen hatte. Vielleicht täuschte sie sich auch in Tom. Er schien Paula glücklich zu machen. War das nicht das Einzige, worauf es ankam?
Rhonda jedoch war ein ganz anderer Fall. Sie schien gewillt, bis in alle Ewigkeit ihre gewählte Rolle zu spielen die des schäbigen, blonden, drogenabhängigen Flittchens.
»Warte mal!«, rief Paula. »Wo bin ich nur mit meinen Gedanken? Ich kann doch am Automaten Bargeld holen!« Sie griff nach Renees Arm. »Wir fahren sofort zur Bank. Sie hat noch nicht geöffnet, aber ich werde so viel Geld wie möglich aus der Maschine quetschen! Ich müsste mindestens fünfhundert abheben können.«
»Ach, Paula!«, sagte Renee. »Ich danke dir.«
»Zu welchem Automaten fahrt ihr?«, fragte Steve. »Der an der Ecke Achtzehnte und Meadowlake scheint ständig kaputt zu sein. Ich hatte in letzter Zeit mehr Glück mit dem Geldautomaten neben dem Drugstore an der Harris Avenue. Direkt am Einkaufszentrum.«
»Gut, dann nehmen wir den«, sagte Paula. »Bist du bereit, Renee?«
»Ja«, sagte sie und schniefte leise, während sie aufstand. »Vielen Dank, Jungs. Für alles.«
»Ich werde lieber mal nach Rhonda sehen«, sagte Steve, obwohl er den Eindruck machte, als wäre es das Letzte, wonach ihm im Augenblick der Sinn stand. Er umarmte Renee, dann sah er sie traurig an. »Leb wohl«, murmelte er.
»Und viel Glück.«
Er kehrte zum Gästezimmer zurück, doch im letzten Moment bog er stattdessen zur Küche ab. Renee vermutete, dass er sich noch eine Tasse Kaffee einschenken wollte, bevor er sich wieder mit seiner Schreckschraube auseinander setzen musste.
Zehn Minuten später stellte Renee den Explorer vor dem Einkaufszentrum neben einem betagten blauen Chrysler ab. Paula parkte direkt neben ihr, dann stiegen beide aus. Renee stöhnte auf, als sie sah, dass trotz der frühen Morgenstunde bereits zwei Leute vor dem Geldautomaten standen.
Sie warteten in der Nähe. Renee zitterte leicht in der kühlen Morgenluft, während Paula nervös mit ihrer Bankkarte spielte. Renee versuchte, so unauffällig wie möglich zu wirken. Sie wollte schnell weiterfahren, um möglichst weit von Tolosa entfernt zu sein, wenn sie Sandy beauftragte, John aus seiner misslichen Lage zu befreien. Er sollte nicht länger als unbedingt nötig mit Handschellen ans Bett gefesselt sein.
Weil dir immer noch etwas an ihm liegt.
So war es. Sie konnte es nicht abstreiten. Aber ihre Gefühle würden irgendwann nachlassen und die Schmerzen verschwinden. Es war nur eine Frage der Zeit.
Stunden schienen vergangen zu sein, als der zweite Mann den Beleg aus dem Schlitz zog und fortging. Paula und Renee eilten zum Automaten. Paula schob ihre Karte hinein, drückte ein paar Tasten, und kurz darauf spuckte die Maschine fünf Einhundert-Dollar-Scheine aus, die sie Renee gab. Dann verstaute sie ihre Karte und den Beleg in ihrer Handtasche. Renee schloss sie fest in die Arme.
»Danke, Paula. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.«
»Ruf mich einfach mal an, wenn du dort angekommen bist, wohin du unterwegs bist, ja? Ich will nur wissen, ob es dir gut geht.«
»Das
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