Ein Kuss und Schluss
hin.«
»Wirklich?«
»Ja. Die Talentshow beginnt morgen Abend um neun Uhr, und ich werde pünktlich da sein.« Je länger sie sprach, desto entschlossener wurde sie. »Und ich werde Antworten auf einige Fragen finden.«
»Gut!«
»Kommst du mit?«
Paula erstarrte. Ihre Aufregung sackte wie ein geplatzter Ballon in sich zusammen. »Äh ... ich?«
»Ja. Ich könnte gut ein zweites Augenpaar gebrauchen, ganz zu schweigen von der moralischen Unterstützung.«
Paulas Gesichtsausdruck wurde etwas unsicherer. »Würden wir dort nicht... du weißt schon ... etwas fehl am Platze wirken?«
»Eigentlich nicht. Wir sehen doch wie Frauen aus, nicht wahr?«
»Richtig. Wir sehen wie Frauen aus. Aber wir sehen nicht wie Männer aus, die versuchen, wie Frauen auszusehen. Vielleicht lässt man uns gar nicht erst rein.«
»Das ist allerdings wahr.« Renee überlegte. »Okay, ich habe schon verschiedene Transvestiten in diesen blöden Talkshows gesehen. Die meisten übertreiben maßlos. Ultrakurzer Rock, schrilles Outfit, Riesentitten. Eigentlich brauchen wir nur eine kräftige Portion schlechten Geschmack und eine Menge Watte.«
Die Vorstellung, ihren BH mit Watte auszustopfen, schien Paulas Stimmung nicht zu verbessern. »Das ist verrückt.«
»Paula! Ich brauche dich.«
»Renee! Das klingt wie eine dieser idiotischen Ideen von Lucy und Ethel. Lucy setzt sich etwas Schräges in den Kopf und will sich wie ein Mann verkleiden, der sich als Frau verkleidet, worauf Ethel sagt, dass das keine gute Idee ist, dass sie es auf gar keinen Fall tun sollten ...«
»Und hoppla, schließlich tun sie es doch!«
Paula seufzte.
»Weil sie Lucy liebt.«
»Du willst mich fertig machen, Renee.«
»Es ist die einzige Chance, wie ich vielleicht wieder aus dieser Sache rauskomme. Du musst mir helfen.«
»Ich weiß, ich weiß.« Paula schloss die Augen. »Schlechter Geschmack, sagst du? Okay. Ich glaube, das kriege ich hin.«
»Geh in mein Apartment und hol mein rotes Kleid. Das mit dem Seitenschlitz bis zur Hüfte. Und du nimmst dir das schwarze mit den Pailletten.«
»Das kann ich nicht anziehen! Deine Figur ist zwei Nummern kleiner als meine!«
»Es ist sehr elastisch.«
»Bisher hat noch niemand einen Stoff erfunden, der so elastisch wäre. Und ich bin überhaupt nicht der Typ für Pailletten.«
»Vertrau mir. Wir ziehen die Schuhe mit den höchsten Absätzen an, die wir haben, und vielleicht sogar Strümpfe mit Naht. Hast du eine Federboa?«
Paula sah sie mit entrüsteter Miene an.
»Okay. Vergiss die Boa. Aber besorg uns ein paar Hüte. Ich muss irgendwie mein Haar verstecken. Und Sonnenbrillen. Ich will nicht, dass mich jemand erkennt.«
»Renee! Wie viele Bekannte wirst du in einem solchen Club treffen?«
»Ich möchte kein Risiko eingehen.« Renee musterte ihre Freundin aufmerksam. »Paula? Kann ich mich auf dich verlassen?«
Paula seufzte und schlug die Hände vors Gesicht. »Tom würde sterben. wenn er wüsste, worauf ich mich einlasse.«
»Aber Tom wird hoffentlich nichts davon erfahren, oder?«
»Er hat morgen Abend ein Seminar. Wir werden uns gar nicht sehen.«
»Versprich mir, dass du ihm nichts erzählst.«
»Glaub mir, ich bin wirklich nicht daran interessiert, dass er von dieser Sache erfährt.«
»Gut.« Renee atmete tief durch. Ihre Kopfschmerzen hatten ein wenig nachgelassen, und sie hatte auch nicht mehr das Bedürfnis zu heulen. Diese Schritte führten eindeutig in die richtige Richtung.
Doch dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen ein Kissen, und plötzlich stellte sie sich vor, nicht in diesem, sondern in Johns Bett zu liegen. Verschwommene Bilder tauchten in ihrem Kopf auf - von seinen Händen, seinen Lippen, wie der Hauch seiner sanft gesprochenen Worte an ihrem Ohr vorbeistrich. Auf einmal wollte sie ein paar Tage in der Zeit zurückreisen und alles erneut durchleben - bis zu dem Moment, als Alex durch die Tür stürmte.
Paula tätschelte ihren Arm. »Du wirst drüber hinwegkommen, Kleine. Du brauchst nur ein wenig Zeit.«
Renee wollte protestieren, dass sie überhaupt nicht an John gedacht hatte, aber Paula kannte sie viel zu gut.
Sie seufzte leise. »Weißt du, dass ich noch nie zuvor verliebt war?«
»Noch nie?«
»Nein. Jedenfalls nicht richtig.«
»Aber in ihn warst du verliebt?«
Jetzt kam es ihr völlig idiotisch vor, aber eine Zeit lang, während sie zusammen gewesen waren ...
»Ich glaube, ich hätte ihn lieben können. Wenn er der Mann gewesen wäre, für den ich ihn
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