Ein Kuss und Schluss
gehalten habe.«
Renee wusste, dass Paula als Mensch, für den das Glas stets halb voll war, ihr sagen wollte, dass alles wieder gut werden würde. Aber stattdessen drückte sie nur ihren Arm und sah sie mit einem bittersüßen Lächeln an.
»Du siehst müde aus. Leg dich schlafen. Ich besorge alles, was wir brauchen, und komme morgen Abend gegen sieben Uhr zurück.«
Sie umarmte Renee noch einmal und schlüpfte zur Tür hinaus. Renee schloss hinter ihr ab und sank dann aufs Bett. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie dünn der Hoffnungsfaden war, an den sie sich klammerte, weil sie höchstwahrscheinlich verrückt werden würde, wenn sie sich die Tatsachen bewusst machte. Doch dann entschied sie, dass es weniger schmerzhaft war, daran zu denken als an John.
Vielleicht gelang es ihr, morgen Abend ihre Unschuld zu beweisen. Aber es würde ihr niemals gelingen, John zurückzugewinnen.
Um kurz nach acht Uhr am folgenden Abend parkte Paula ihren Wagen an der Colfax Street. Sie wandte sich Renee zu, mit dem Ausdruck abgrundtiefen Entsetzens auf dem Gesicht.
»Du siehst ... toll aus«, sagte Renee.
»Nein. Ich sehe aus wie eine billige Nutte. So billig, dass sie sich nicht mal neue Klamotten leisten kann, wenn sie aus den alten herausgewachsen ist. So sehe ich aus!«
»Der Hut ist nett.«
»Ich trage einen kompletten Pfau auf dem Kopf herum!«
Renee deutete auf die modische Entgleisung auf ihrem Kopf. »Ich habe dir mehrmals angeboten, unsere Hüte zu tauschen.«
»Roter Satin mit Perlen? Das wäre immerhin eine Alternative. Möchte ich wie ein langschwänziger Vogel oder wie Barbara Bush bei einem Staatsempfang aussehen?«
Renee musste grinsen. Wenn Paula angespannt war, konnte sie richtig sarkastisch werden. »Was hattest du gesagt, wo du sie bekommen hast?«
»Im Ramschladen an der Market Street. Da gibt es jede Menge Hüte. Diese beiden waren noch die hübschesten.« Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Sag mir noch einmal, wie wir den Kerl finden wollen, der den Raubüberfall begangen hat, damit wir deine Unschuld beweisen können.«
»Es ist meine einzige Hoffnung, Paula. Und ich werde dir bis in alle Ewigkeit dankbar sein, dass du diese grässlichen Sachen angezogen hast, um mir zu helfen - auch wenn du deinen BH nicht ausstopfen wolltest.«
»Also gut. Bringen wir es hinter uns.«
Gleichzeitig setzten sie ihre Sonnenbrillen auf, und Renee kam sich vor wie bei einer streng geheimen Aktion verdeckter Ermittler. Was den Tatsachen sogar recht nahe kam.
Sie stiegen aus dem Wagen und näherten sich dem Club. Bereits draußen auf dem Gehweg war die pulsierende Musik von innen zu. hören, und als sie die Tür öffneten, brauchten ihre Trommelfelle mindestens eine Minute, bis sie den Widerstand gegen die akustische Attacke aufgaben.
Schließlich entdeckten sie ein kleines Fenster, hinter dem sich offenbar die Kasse befand. Also schien die Veranstaltung Eintritt zu kosten. Sie gingen hinüber und sahen einen Mann in blauem Paillettenkleid und mit großen Ohrringen, der gerade Geld zählte. Sein an den Spitzen blondiertes Haar sträubte sich wie bei einer monströs mutierten Löwenzahnblüte.
»Zehn Dollar, Ladies«, sagte er mit einer Stimme, die ein paar Oktaven höher war als die, mit der er auf die Welt gekommen war. Paula hielt sich ein wenig abseits, um den Mann nicht ansehen zu müssen. Renee gab ihm zwanzig Dollar, dann sah sie lächelnd zu Paula hinüber. Sie waren drin.
Mit einem gemeinsamen Seufzer der Erleichterung wandten sie sich der Tür zu, die in den eigentlichen Saal führte.
»Wartet mal einen Moment!«, rief der Kassierer.
Sie erstarrten und tauschten einen erschrockenen Seitenblick aus. Renee wartete darauf, dass er auf den Gang stürmte, beide Frauen im Genick packte, nach draußen beförderte und ihnen erklärte, dass sie für diese Party leider mit den falschen Anschlüssen ausgestattet waren.
Langsam drehten sie sich um und sahen, dass der Mann Paula mit gekrümmtem Finger heranwinkte. Sie schluckte, als hätte sie einen Tischtennisball in der Kehle. Dann wagte sie sich misstrauisch ein oder zwei Schritte zurück. Der Mann beugte sich durch das Fenster und betrachtete sie mit aufmerksamem Blick.
»Wo hast du diesen absolut geilen Hut her?«
Paula stand mit offenem Mund da und konnte keinen Finger rühren. Renee folgte ihr und versetzte ihr einen sanften Stoß in die Rippen.
»Äh ... aus dem Ramschladen an der Market Street.«
»Scheiße! Dann ist es
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