Ein Kuss und Schluss
mussten sie Renee unbedingt so gern haben?
Er verstand es nicht. Bisher hatten sie an jeder anderen Frau herumgenörgelt, die er ihnen vorgestellt hatte, auch wenn er sie angeblich unbedingt heiraten sollte. Warum mussten sie es sich in den Kopf setzen, dass ausgerechnet Renee die richtige Frau für ihn war?
In Wirklichkeit war er erleichtert, als Renee aufgestanden war, um mit Melanie Karten zu spielen, weil er hoffte, dass er sich nun auf das Football-Spiel konzentrieren konnte. Er zog die Schuhe aus, legte die Füße auf den Couchtisch und starrte auf den Fernseher, aber ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, seine Aufmerksamkeit auf das Spiel zu lenken, sein Blick wanderte ständig zu Renee hinüber, als wären seine Augen irgendein Hightech-Spürgerät.
Sie spielten nun schon seit einer halben Stunde Quartett.
Nach zehn Minuten war Großmutter ins Spiel eingestiegen. Er hörte immer wieder Bruchstücke ihrer Gespräche, Melanies Jubel, wenn sie vier passende Karten zusammen hatte, und Großmutters Klagen, dass die Zahlen auf den Karten viel zu klein gedruckt waren, um sie lesen zu können.
Bevor sie eine neue Runde austeilte, zeigte Renee auf eine Karte und erklärte Melanie, dass die Piks die Abdrücke der Pfoten kleiner Hundewelpen waren. Melanie kicherte, als wäre es das Lustigste, was sie jemals gehört hatte, und bei ihrem hysterischen kindlichen Gelächter wäre sie fast vom Stuhl gefallen. Selbst Großmutter musste grinsen. Renee widmete sich dem Spiel mit der Gewissenhaftigkeit eines Blackjack-Kartengebers und der Geduld einer Tante, die ihre Lieblingsnichte verhätschelte, wo sie konnte.
Und John konnte sie keinen Moment aus den Augen lassen.
Er nahm jedes Detail ihrer Bewegungen auf, wie das Licht auf ihrem goldenen Haar schimmerte, wie ihre langen, schlanken Finger geschickt die Karten auffächerten, wie sie Melanie mit ihrem strahlenden Lächeln überschüttete. Es kam nur selten vor, aber wenn sie sich umdrehte und sich zufällig ihre Blicke trafen, verblasste ihr Lächeln sofort. Er stellte sich für einen kurzen Moment vor, wie es wohl wäre, der Anlass zu sein, der sie zum Lächeln brachte, und nicht der Grund, es verschwinden zu lassen.
Wie wäre es, wenn sie keine gesuchte Verbrecherin wäre? Wenn sie tatsächlich seine Freundin wäre? Würde es sich so anfühlen? Dass er niemals den Blick von ihr abwenden wollte?
Hör auf damit! Du vergisst, wer sie ist und warum sie hier ist!
Doch im Verlauf des Nachmittags konnte er sich immer weniger vorstellen, wie Renee mit der Waffe in der Hand einen Supermarkt überfiel. Allmählich sah er sie so, wie seine Familie sie zweifellos sah - als hübsche, kluge, nette und einnehmende Frau. Sein Gehirn fügte automatisch sexy zu dieser Liste hinzu. Er löschte das Wort sofort aus, aber im nächsten Moment stand es wieder da, diesmal sogar in fetten Großbuchstaben.
Sehr; sehr sexy.
Dann erhob sich Sandy vom Teppich und kam zu ihm. Er machte sich auf alles gefasst. Er konnte unmöglich erraten, was ihr plötzlich in den Sinn gekommen sein mochte.
Sie ließ sich neben ihn auf das kleine Sofa fallen. »Ich schätze, die Cowboys können heute von dir nicht allzu viel begeisterte Unterstützung erwarten, wie?« Sie grinste. »Dafür scheint sich Alice voll und ganz auf ihren größten Fan verlassen zu können.«
»Schluss jetzt, Sandy!«
»Schau sie dir nur an«, sagte sie, als hätte er das nicht schon die ganze Zeit getan. »Sie scheint sich prächtig mit Melanie zu verstehen, nicht wahr?«
»Hmm-hmm.«
»Selbst Großmutter amüsiert sich blendend, wie es aussieht.«
»Hmm-hmm.«
»Du bist immer noch sauer auf mich, nicht wahr?«
»Hmm-hmm.«
»Warum hakst du es nicht endlich ab und sagst mir, dass wir einen richtig netten Nachmittag miteinander verbracht haben? Alice hat die Familie kennen gelernt. Alle mögen sie. Das ist doch gut!«
»Wahrscheinlich werden Tante Louisa und du morgen unser Hochzeitsgeschirr aussuchen.«
»Nein. Morgen das Besteck und am Dienstag Porzellan.« Sie tätschelte sein Knie. »Aber jetzt mal im Ernst, John. Sie ist eine gute Frau. Versprich mir, dass du alles tust, um sie festzuhalten, ja?«
Eine Stunde später hatten die Cowboys mit Ach und Krach den Sieg errungen, und John hatte in seinem ganzen Leben noch nie so sehr das Ende eines Spiels herbeigesehnt. Nach dem üblichen Aufstehen und Strecken und Einsammeln der Töpfe bewegte sich seine Familie endlich in Richtung Tür. Renee trat an seine Seite, um sie
Weitere Kostenlose Bücher