Ein Kuss und Schluss
das macht. Du sollst in meiner Nähe bleiben.«
»Komm schon, John! In diesen Jeans kann ich nicht einmal laufen, geschweige denn wegrennen.«
Brenda und Sandy kehrten aus der Küche zurück.
»Du bist unser Gast, Alice«, kam John ihnen zuvor. »Die anderen kümmern sich um den Abwasch.«
»Was soll das werden?«, sagte Brenda. »Verweigerst du deiner Freundin das Recht, ihre Rolle als Bürger zweiter Klasse spielen zu dürfen?«
John schien einzusehen, dass er sich verdächtig machte, wenn er auf seinem Standpunkt beharrte. »Alice ist kein großer Football-Fan«, sagte er, während er sich entfernte. Doch sein Lächeln passte überhaupt nicht zum Ausdruck seiner Augen. »Sagt mir Bescheid, falls sie versucht, sich durch die Hintertür davonzustehlen, ja?«
»Keine Sorge«, erwiderte Sandy grinsend. »Wir lassen sie auf keinen Fall entkommen.«
Nachdem sie sämtliches Geschirr in die Küche gebracht und in die Spülmaschine gestellt hatten, wusch Sandy die Töpfe mit der Hand ab, während Renee abtrocknete.
»Nimm es nicht so ernst, wenn John wie vorhin beim Essen in die Luft geht«, sagte Sandy. »Wir werfen uns ständig solche Sachen an den Kopf, seit wir sprechen können. Zufällig war John heute das Hauptziel. Er ist gar nicht so halsstarrig, wie er tut. Nach der Halbzeit hat er es schon wieder vergessen.«
Renee lächelte nur. Sie wusste, dass sich auch nach der Halbzeit nichts an Johns Stimmung geändert haben würde. »John und Dave sind schon ziemlich unterschiedliche Typen, nicht wahr?«
Sandy lachte. »Wie Tag und Nacht. Und Alex ist wieder ganz anders. Dave sieht die Dinge so gelassen, dass er praktisch ständig im Koma liegt. Aber diese Eigenschaft kommt ihm in seinem Job zugute. Er hat schon viele Konflikte entschärft, weil es vielen sehr schwer fällt, ihn als ihren Feind zu betrachten, selbst wenn er gerade dabei ist, sie hinter Schloss und Riegel zu bringen. Alex dagegen hat immer ein Gesetzbuch dabei, wenn er einen Übeltäter fasst. Er kennt keine Freundlichkeit mehr, wenn er glaubt, dass jemand die Gesetze übertreten hat. Alex war Dads Lieblingskind. Sein ältester Sohn, weißt du.«
»Und John?«
»Für Dave ist der Beruf des Polizisten einfach nur ein Job. Für Alex ist es eine Mission und für John eine Passion. Er hat diese seltsame Vorstellung, dass am Ende stets die Gerechtigkeit siegen sollte. Seine Brüder können nach Feierabend ganz entspannt nach Hause fahren, ganz gleich, was geschehen ist. John kann das nicht.«
Brenda ließ den Deckel eines Plastikbehälters zuschnappen, den sie mit den übrig gebliebenen Kartoffeln gefüllt hatte. »Ich verstehe einfach nicht, was daran so schwierig sein soll. Man denkt nicht über seinen Job nach. Man macht ihn einfach. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich auf einen Geiselnehmer ziele und mir erst einmal überlege, ob vielleicht mildernde Umstände vorliegen, bevor ich ihm das Gehirn wegpuste?«
»Nein, Brenda«, sagte Tante Louisa, die gerade mit einem Geschirrtuch die Anrichte sauber wischte. »Das kann sich niemand von uns vorstellen.«
»Ich bekomme eine Zielperson genannt und schalte sie aus. Auftrag erfüllt.«
»Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen dir und John«, sagte Sandy. »John hat ein Herz.«
»Richtig. Aber dagegen könnte er etwas tun, wenn er es sich fest vornehmen würde.«
Sandy warf Brenda einen vernichtenden Blick zu.
»Ja, schon gut!« Brenda wandte sich an Renee. »John ist ein guter Mensch. Wirklich. Ich sage ja nur, dass er sich das Leben unnötig schwer macht, wenn er glaubt, er könnte die Welt verändern, während wir anderen wissen, dass das unmöglich ist. Man wird immer wieder Schuldige laufen lassen und Unschuldige durch die Mangel drehen. Dagegen kann niemand etwas tun.«
Brenda und wie sie die Welt sah - kein angenehmer Ort zum Leben , dachte Renee. Insbesondere, da sie möglicherweise bald zu den armen, glücklosen Menschen gehörte, die dazu verdammt waren, durch die Mangel gedreht zu werden.
Einige Minuten später kehrten sie ins Wohnzimmer zurück. Als alle einen Sitzplatz gefunden hatten, besetzten Brenda, Eddie und Dave das Sofa, während Ashley im Wohnzimmer herumtollte. Sandy hockte im Schneidersitz mit Melanie auf dem Fußboden. Tante Louisa hatte den Sessel neben der Lampe genommen, damit sie sich ihrer Häkelarbeit widmen konnte, und für Großmutter hatte man einen Stuhl aus dem Esszimmer geholt und neben das Sofa gestellt, weil sie vor kurzem am Rücken operiert
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