Ein Kuss und Schluss
ich trotzdem daran, dass du mir die Wahrheit sagst.«
13
In diesem Augenblick hatte Renee das Gefühl, jeder Knochen ihres Körper würde vor Erleichterung schmelzen. Sie hatte so sehr gehofft, dass John an ihre Unschuld glaubte er musste an ihre Unschuld glauben -, aber was er gerade gesagt hatte, bedeutete viel mehr. Es bedeutete, dass sie plötzlich nicht mehr allein war.
Auch wenn sie sich ein solches Eingeständnis von ihm gewünscht hatte - sie erkannte genau, dass es ihn übermenschliche Kraft gekostet hatte.
Er setzte sich auf die Bettkante und starrte auf seine Hände. Seine Schultern hingen schlaff herab, sein Gesicht war verhärmt, und zum ersten Mal sah sie, dass er keineswegs der Superpolizist war. Er war einfach nur ein Mensch - ein Mensch, der vor einer Reihe sehr schwieriger Entscheidungen stand.
»Was wird jetzt geschehen?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht.«
Es folgte ein längeres Schweigen. Schließlich fuhr sich John mit einer Hand über das Gesicht, dann drehte er sich zu ihr herum.
»Ich habe mit der Besitzerin des ausgeraubten Supermarkts gesprochen. Mit dieser Augenzeugin kann man keinen Fall gewinnen. Sie sieht kaum noch ihre eigene Hand vor Augen. Selbst der unfähigste Verteidigungsanwalt wird in null Komma nichts ihre Unglaubwürdigkeit erkennen.«
Renee richtete sich auf. »Das ist ja wunderbar!«
»Mach dir keine zu großen Hoffnungen. Das beweist nicht, dass du es nicht getan hast. Das bedeutet nur, dass die Zeugin dich nicht eindeutig identifizieren kann. Angesichts der handfesten Beweise hat das nicht allzu viel zu bedeuten.«
»Aber es ist immerhin etwas, nicht wahr?«
»Etwas ... ja. Und du hattest Recht mit deiner Vermutung bezüglich der Damen in Nummer 317. Es sind Nutten. Aber ihr Geschäft ist sehr lukrativ, so dass wir sie wahrscheinlich als Verdächtige ausschließen müssen. Ein weiterer Minuspunkt ist die Tatsache, dass der Polizist, der den Fall bearbeitet hat, in Ruhestand gegangen ist. Der Typ, der jetzt dafür zuständig ist, ist eine Null. Von den offiziellen Stellen haben wir also keinerlei Unterstützung zu erwarten. Sie haben ihren Verdächtigen und werden nicht nach einem anderen suchen.«
»Das alles hast du wirklich überprüft?«
»Ja.«
Renee war sprachlos. Also war er deshalb den ganzen Vormittag unterwegs gewesen. Während sie an sein Bett gefesselt war, hatte er eigene Ermittlungen angestellt.
»Hältst du es für möglich, dass wir den wahren Schuldigen finden?«, fragte sie.
John schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein ... nein.«
»Aber das wäre die einzige Möglichkeit, wie wir ...«
»Nein. Wir müssen gar nicht unbedingt die Person ausfindig machen, die den Überfall begangen hat. Wir müssen nur genügend Beweise zusammensuchen, damit die Geschworenen begründete Zweifel an deiner Schuld haben. Wenn wir das schaffen, wirst du freigesprochen.«
»Und wenn ich nicht freigesprochen werde ...«
»Landest du im Gefängnis.«
Gefängnis. Schon das Wort bereitete Renee Magenschmerzen. »John. Bitte hör mir zu. Bitte. Ich kann nicht ins Gefängnis gehen. Wenn auch nur die leiseste Möglichkeit besteht ...«
»Wir können nur hoffen, ein oder zwei Indizienbeweise zu finden. Du sagst, du hättest Steve in jener Nacht nicht zum richtigen Zeitpunkt getroffen, um daraus ein Alibi zu machen, aber so groß ist der zeitliche Abstand auch nicht, so dass die Geschworenen vielleicht ins Grübeln kommen. Die Augenzeugin lässt sich problemlos diskreditieren. Ein guter Verteidiger kann diese Umstände benutzen, um begründete Zweifel an deiner Schuld geltend zu machen.«
Sich auf Gedeih und Verderb der Gnade des Gerichts auszuliefern, war so ziemlich das Schrecklichste, was Renee sich vorstellen konnte. Aber irgendwie kam es ihr gar nicht mehr so hoffnungslos vor, wenn John neben ihr saß. Und vor allem, seit sie wusste, dass er auf eigene Faust in dieser Sache ermittelt hatte, obwohl es einfacher für ihn gewesen wäre, sie bei seinen Kollegen abzuliefern.
Was Sandy über ihn gesagt hatte, war richtig. Goldrichtig.
»Aber ich muss dich warnen, Renee. Die Sache könnte trotzdem schlimm für dich ausgehen, selbst wenn ich mir noch so große Mühe gebe.«
Er erklärte nicht, was er mit schlimm meinte. Aber das musste er auch gar nicht. Wenn er keine hinreichenden Beweise für ihre Unschuld fand, konnte sie trotzdem verurteilt werden. Und da sie immer noch gefesselt war, obwohl er an ihre Unschuld glaubte, würde zwangsläufig irgendwann
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