Ein Kuss unter dem Mistelzweig
beschäftigt, wie ich gehört habe. Rachel hat mir von den Möbeln erzählt, die du für Aidens Scheunenumbau gebaut hast.«
»Das ist eine unglaubliche Chance für mich«, nickte Jay. »Ich bin Aiden wirklich dankbar, dass er mir die Gelegenheit gibt zu zeigen, was ich kann.«
Die Unterhaltung geriet wieder ins Stocken. Jays Blick wanderte zu Boden, bevor er wieder zu Laurie hochschaute. »Ohne dich war es ziemlich still hier.«
»Ich weiß nicht so genau, wie ich das verstehen soll«, stellte Laurie lachend fest. »Angenehm still oder langweilig still?«
Jay ließ sie nicht aus den Augen. »Langweilig still«, erklärte er lächelnd. »Definitiv.« Laurie spürte eine Mischung aus Aufregung und Freude. Sagte er damit nicht – irgendwie zumindest –, dass er sie vermisst hatte?
Einen Moment lang zögerte sie und überlegte, ob sie ihn fragen sollte. Ihn auf einen Kaffee einladen – das war eine ganz normale, nachbarschaftliche Einladung, die sie ruhig aussprechen konnte.
Sein Blick schoss zum Treppenhausfenster, an dessen Scheibe die Graupelkörner trommelten. »So – ich muss jetzt da raus.«
Oh. Na klar, dachte sie. Ein Kaffee wäre ohnehin wahrscheinlich eine dumme Idee gewesen. Und vermutlich hätte sie dabei nur wieder etwas gesagt, mit dem sie alles verdorben hätte. »Na, besser du als ich«, grinste sie und nickte zum Fenster. »Ein heißes Bad, Wein, mein Bett – das ist mein Plan für heute.« Sie öffnete die Wohnungstür und zog ihren Koffer nach drinnen.
»Na, dann gehe ich mal besser«, erwiderte Jay. »Aber herzlich willkommen zu Hause, Laurie.«
»Vielen Dank.«
Laurie schloss die Tür hinter sich, lehnte sich von innen dagegen und seufzte. Was hatte er nur an sich? Sie kam sich wie eine Schneekugel vor, die umgedreht und geschüttelt wurde.
Weihnachten stand unmittelbar vor der Tür, und sie hatte ihn nicht einmal nach seinen Plänen gefragt. Sie rollte ihren Koffer ins Schlafzimmer, ging dann in die Küche und setzte Teewasser auf. Danach schaltete sie das Radio an; auf allen Kanälen dudelten Weihnachtslieder. Laurie schaute sich um. Irgendetwas stimmte mit ihrer Wohnung nicht. Sie fühlte sich anders an, aber Laurie konnte nicht genau sagen, woran das lag. Dann entdeckte sie die bunte Papierkette rund um den Durchgang zur Küche. Schnell warf sie einen Blick ins Wohnzimmer – am großen Erkerfenster stand ein wunderschönes Arrangement aus Zweigen, die mit einer weißen Lichterkette geschmückt waren, und der Kamin war mit Stechpalmen- und Efeuzweigen dekoriert. An allen Fensterrahmen hingen Papierketten, und ein Stapel mit Weihnachtskarten war sorgsam auf ihrem Couchtisch ausgelegt worden; daneben stand eine festliche, rotblättrige Weihnachtspflanze, deren Namen sie sich nie merken konnte. Laurie schlug sich die Hand vor den Mund. Ihre Wohnung sah hübscher aus als je zuvor.
Sie wanderte durchs Wohnzimmer und betrachtete alles eingehend. Einen Weihnachtsbaum gab es nicht – Gott sei Dank, sie hasste Tannennadeln –, aber der Raum war fantastisch geschmückt. Auf dem Kamin entdeckte sie eine große Karte, auf der ihr Name stand. Sie nahm sie herunter und öffnete sie, voller kindlicher Neugier und Erwartung.
Laurie überflog die Weihnachtskarte der Murrays und entzifferte das Gekritzel von Zak: »Ich habe die Papierketten gemacht.« Auf der linken Seite der Karte stand eine Nachricht von Rachel: »Sieh mal, was wir gefunden haben!« Mit einer Büroklammer war ein Foto von Rachel und Laurie aus der Schulzeit angeheftet. Laurie musste lächeln: Sie konnte sich sogar noch daran erinnern, wann das Foto gemacht worden war – nämlich am Tag nach ihrer letzten Prüfung, als sie zum Strand gefahren waren. Voller Stolz klemmte Laurie es in die Ecke ihres Spiegels.
K apitel 33
Sonntag, 24. Dezember, Heiligabend
Bea hatte den Morgen damit verbracht zu überwachen, wie Milly und Zak ihr berühmtes Lebkuchenhaus backten. Jetzt schob Milly die Teile in den Backofen.
»Lass sie fünfundzwanzig Minuten im Ofen«, bestimmte Bea von ihrem Platz am Küchentisch. »Danach können wir die Teile mit Zuckerguss zusammenkleben. Dabei kann ich euch helfen.«
Rachel schaute zu Bea hinüber – man hatte das Gefühl, dass sie ein ganz anderer Mensch war als noch auf der Krankenstation. Sie hatte wieder Farbe im Gesicht, und ihr kurzes blondes Haar war wieder perfekt gestylt. Sie trug eine elegante, marineblaue Strickjacke mit einer weißen Bluse darunter sowie eine maßgeschneiderte
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