Ein Kuss unter dem Mistelzweig
man kann ihr wirklich nicht zum Vorwurf machen, dass er sie eingelullt hat. Immerhin sind wir alle auf ihn hereingefallen.«
Laurie wurde das Gefühl nicht los, dass sie Patrick gleich hätte durchschauen müssen. Warum hatte sie ihm nicht schon zu Beginn auf den Zahn gefühlt? War ihre Verzweiflung wirklich so groß, Weihnachten bloß nicht allein feiern zu müssen?
Als sie Dianas Haus verließ und zum Cottage zurücklief, ging Laurie in Gedanken noch einmal alle Gespräche mit Patrick durch. Wenn er über sich gesprochen hatte, so wurde ihr nun klar, hatte er nie Details genannt, und was er gesagt hatte – na ja, nichts davon war wahr gewesen.
Als sie die Cottagetür aufschloss, wusste Laurie, dass es nun an der Zeit war, Skipley zu verlassen. Sie schaute sich im Wohnzimmer um – die Fensterbank, auf der Kissen verstreut lagen; die Fotos von Rachel, Aiden und dem Rest der Familie; die CD -Sammlung; die Bücher. Hier zu sein und hier zu wohnen, fühlte sich fast an, als sei man ein Familienmitglied. Ihr war in der Zwischenzeit klar geworden, wie sehr sie Rachel in ihrem Leben vermisste, außerdem wollte sie Milly eine bessere Patentante sein.
Im Gegensatz dazu hatte sie es lediglich geschafft, ihrem Leben Schaden zuzufügen und die Beziehung zu den beiden zu ruinieren. Dennoch konnte sie Rachels einziger Bitte – sich nämlich von Rachels Familie fernzuhalten – nicht nachkommen. Milly stand immer noch in Kontakt mit Patrick, bekam die gleichen Lügen zu hören wie Laurie und plante, sich in wenigen Tagen mit ihm zu verabreden. Was auch immer dazu nötig war – Laurie musste sicherstellen, dass Milly die Wahrheit erfuhr.
Wenn Rachel sich weigerte, Anrufe entgegenzunehmen, dann würde sie eben einen anderen Weg finden. Laurie ging hinauf ins Schlafzimmer, um zu packen.
K apitel 27
Montag, 18. Dezember
Rachel stand um 6:30 Uhr auf, als es draußen immer noch dunkel war. Sie schaltete das Radio an und ließ es leise laufen, backte Lebkuchen-Schneemänner und stellte kandierte Früchte sowie Nusskränze her. Als ihre Familie aufwachte, duftete es in der ganzen Wohnung nach Lebkuchen und Gebackenem. Innerlich fühlte sich Rachel nach dem Streit mit Laurie immer noch leer und verletzt. Doch sie ging damit um, wie sie eben alle Probleme bewältigte – mit Backen. Aiden kam in die Küche und kochte Tee.
»Was wird das?«, fragte er und atmete tief ein.
»Kekse«, erwiderte Rachel. »Ich will, dass Weihnachten genauso wird wie immer«, erklärte sie und schaute von ihrer Rührschüssel auf. Sie atmete tief durch, als ihr ihre Situation klar wurde. »Ganz gleich, wo wir es feiern werden.«
»Okay«, erwiderte Aiden, war aber mit den Gedanken woanders.
»Es wird sich schon irgendwie alles finden«, fuhr Rachel fort, holte Kekse aus dem Ofen und legte sie zum Abkühlen auf einen Rost. »Möchtest du, dass ich heute zum Krankenhaus mitkomme?«
»Ja. Das wäre schön. Lass uns alle zusammen hingehen.«
»Als ich dann Level 3 erreicht hatte, kam das Monster und hat Feuer auf mich gespuckt«, erklärte Zak begeistert. »Du kommst nicht an ihm vorbei, du musst dich wehren und es überwinden. Aber ich habe die Münze gefunden, durch die man größer und …«
Zak redete schon geschlagene zehn Minuten auf Bea ein und erzählte von seinem neuesten Computerspiel. Zu Beginn hatte er noch Hemmungen gehabt, sich mit ihr zu unterhalten, und hatte nicht gewusst, was er ihr sagen sollte. Aber nach mittlerweile anderthalb Wochen schien er seine Hemmungen vor der nicht reagierenden Zuhörerin abgelegt zu haben.
An diesem Morgen hatte Dr. Patel noch einmal ihren Ratschlag wiederholt, dass sie geduldig sein sollten. »Zehn Tage schon!«, hatte Aiden Rachel zugeflüstert, als die Ärztin wegging. »Da sollte sie uns doch mittlerweile etwas sagen können!«
Sanft nahm Rachel seine Hand. »Es klingt, als könnte sie das nicht. Ich nehme an, sie will uns keine falschen Hoffnungen machen. Sie hat doch von Anfang an betont, dass es eine Frage der Zeit ist, bis Bea aus dem Koma wieder aufwacht.«
»Und dann – wuschschsch – hatte ich das Monster besiegt, Granny!« Zaks Gesicht leuchtete. »Und dann war ich in der Wasserfallebene. Das stimmt – da kannst du Milly fragen.«
»Ja, das stimmt«, pflichtete ihm Milly bei, die auf der Bettkante hockte und den Arm ihrer Großmutter streichelte. »Er hat es bis Level 4 geschafft. Und in Zaks Welt ist das so, als hätte er den Lotto-Jackpot geknackt.«
Rachel sah zu Milly
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