Ein Kuss unter dem Mistelzweig
wiederholte Rachel. Allmählich kochte sie vor Wut. »Meinst du das ernst? Ich brauche keine Erklärungen, Laurie. Weder von dir noch von Aiden. Nichts wird das je wiedergutmachen.«
»Aber …«
»Wir machen gerade eine wirklich harte Zeit durch, Laurie, da hätte ich wirklich eine Freundin gebraucht. Aber mittlerweile frage ich mich, ob es vielleicht für dich noch einen anderen Grund für den Wohnungstausch gab?«
Laurie schwieg.
»Wolltest du mir eigentlich helfen?« Rachel dachte an Aiden, an Milly und die Tatsache, dass ihre Tochter lieber mit Laurie redete anstatt mit ihr. »Oder wolltest du mein Leben?«
»Nein, Rachel, hör mal … du musst …«, protestierte Laurie.
»Laurie, ich habe keine Lust, mit dir zu reden, und ich will auch nicht mehr, dass du Kontakt zu Milly hältst. Auf Wiedersehen.« Ihre Hand zitterte, als sie das Handy auf den Nachttisch knallte.
K apitel 26
Sonntag, 17. Dezember
Am Sonntagmorgen gab es einen kurzen, seligen Moment, in dem Laurie sich an nichts erinnern konnte, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Dann wurden die Erinnerungen wach – an die beste Nacht, die sie seit Jahren gehabt hatte, und wie aus dieser ein einziger Alptraum geworden war.
Sie duschte hastig, föhnte sich die Haare und zog sich schnell eine Jeans und einen Kapuzenpullover über. Dann warf sie einen Blick aus dem Fenster, um die Wetterlage zu prüfen. Das Schneetreiben der vergangenen Nacht war vorbei und alles nun mit einer dicken Schneedecke überzogen. Da sie den Mantel nicht finden konnte, den sie letzte Nacht ausgezogen hatte, zog sie sich eine Lammfelljacke aus dem Garderobenschrank über, bevor sie nach draußen eilte. Dort schlang sie die Jacke erst einmal enger um den Körper, während sie über den Schnee knirschte und sich zu Dianas Cottage aufmachte.
Im Morgenmantel öffnete Diana die Haustür. »Du meine Güte!«, rief sie. »Sie sehen ja aus wie ein Yeti! Kommen Sie schnell rein, raus aus der Kälte!«
Diana trug ein Tablett mit Kaffee und kleinen, gebutterten Pfannkuchen herein. Laura ließ sich kurz von den Geschichten ablenken, die Diana über die vergangene Nacht zu berichten hatte.
»Nach der Sperrstunde hat er mich gebeten, noch zu bleiben«, erzählte Diana. »Wir hatten eine – wie nannte er es? –, eine Einsperrstunde. Nur wir beide.«
Dianas Augen leuchteten, und ihre Wangen erstrahlten in einem neuen Glanz. Sie und Laurie unterhielten sich über all die wesentlichen Punkte: Worüber genau sich Diana mit Graham unterhalten hatte, wie es nun weitergehen sollte (beide schienen sehr daran interessiert zu sein, dass es weiterging), hatten sie sich geküsst (ja), war er ein guter Küsser (oh ja!) und wer den nächsten Schritt machen sollte (Graham hatte Dianas Nummer bekommen).
»Graham meinte gestern Abend, wie schön es ist, dass Patrick und Sie zusammengekommen sind«, fuhr Diana fort. »Aber Sie sind so früh gegangen. Warum?«
»Ich wusste vorher, dass ich nicht gerade der beste Menschenkenner bin, was Männer betrifft.« Laurie schüttelte den Kopf. »Aber dieses Mal reden wir hier über jemanden, der wirklich jenseits von Gut und Böse ist.«
»Patrick?«
Laurie nickte.
»Aber er schien doch so …«
»Nett zu sein?«, fiel Laurie Diana ins Wort. »Genau, das dachte ich wohl auch. Aber nein, er ist ein echter Widerling.« Laurie nahm sich einen weiteren kleinen Pfannkuchen und biss hinein. »Nicht zu fassen, dass ich auf all seine Geschichten hereingefallen bin. Er hat mit einer anderen geflirtet, während er sich schon mit mir getroffen hat, und hat mit ihr andere Dates ausgemacht.« Diana fiel die Kinnlade herunter. »Aber es kommt noch schlimmer. Die andere war mein eigenes fünfzehnjähriges Patenkind.«
Entsetzt hielt Diana die Luft an. »Aber doch nicht Milly, oder?«
»Doch, Milly.«
»Das ist ja un-fass-bar!«, rief Diana mit weit aufgerissenen Augen.
»Ich weiß. Ziemlich erbärmlich, oder?«
»Ich finde es noch schlimmer«, entgegnete Diana, der die Missbilligung deutlich ins Gesicht geschrieben stand. »Sie ist noch minderjährig! Das ist widerlich. Na ja, in ein oder zwei Wochen wird er hier nicht mehr viele Freunde haben. Überlassen Sie das ruhig mir! Was für ein Schmierlappen! Weiß Rachel Bescheid?«
»Noch nicht«, erwiderte Laurie und musste an das desaströse Telefongespräch denken, das sie beide geführt hatten.
»Das wird ihr gar nicht gefallen. Arme Milly … sie ist so ein hübsches, aufgewecktes Mädchen … aber
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