Ein Kuss von dir
haben.«
Eleanor erbleichte. Madeline hatte eine große Szene gemacht, als sie die Verlobung mit dem Earl of Campion gelöst hatte. Und Eleanor war jetzt klar, dass er von Madelines Vergangenheit wusste. Sie gewann ihre Haltung zurück und geiferte: »Wenn ich möchte, dass Sie sich meiner Vergangenheit annehmen, dann lasse ich es Sie wissen!«
»Sie werden meine Ehefrau sein.« Er lächelte auf sie herab, spielte der Menge etwas vor und ließ seine Duchess seine gespielte Zuneigung sehen. »Ihre Vergangenheit geht mich etwas an.«
»Die Ehe, so sagt man, ist ein gegenseitiges Wechselspiel. Ich erzähle Ihnen meine Geheimnisse, wenn Sie mir Ihre erzählen.« Sie lächelte ihn mit der gleichen gespielten Zuneigung an, die er ihr zeigte, und forderte ihn mit einer Geste in Richtung der wogenden Menge auf: »Fangen Sie an. Das hier ist der passende Ort.«
»Gut gebrüllt, Löwe«, sagte er. Sie bewegten sich in der Schlange nach vorn. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, hier auf Campion zu treffen. Er ist nicht in der Stadt.«
»Gut. Ich will ihn auch nicht sehen«, sagte sie und hörte sich dabei außerordentlich inbrünstig an.
»Aber falls doch, würde das keine Rolle spielen.« Sie standen am Absatz der Treppe, die in den riesigen Ballsaal hinunterführte. Unter ihnen streckten sich Säulen aus schwarzem Marmor einem blau-goldenen Deckengewölbe entgegen. Die Fenster erhoben sich schmal und lang gestreckt. Der Saal war so voll gepackt, dass die Menschen kaum gehen konnten, geschweige denn tanzen. Und das kleine Orchester, das in einer der Ecken aufspielte, mühte sich vergebens, das Stimmengewirr mit Musik zu überdecken.
Die Bühne war bereit. Das Schauspiel konnte beginnen. Alles lief wie geplant.
10
Als Eleanor in Mr. Knights kalte, klare Augen blickte, ging ihr auf, welchem Irrtum Madeline erlegen war. Madeline hatte nach London fahren und Mr. Knight diese unglückselige Verlobung ausreden wollen. Was Wahnsinn gewesen war, denn Mr. Knight würde tun, was er wollte – und er wollte die Duchess heiraten. Arme Madeline , ihn aus einem so fadenscheinigen Grund wie einem Wetteinsatz heiraten zu müssen!
Und arme Eleanor , dabei zusehen und dann verschwinden zu müssen!
»Ich werde bekommen, was ich haben will«, warnte er sie.
Eleanor presste die Hände zusammen. Er wollte sie … Ob er seine Zuneigung wohl ohne weiteres auf Madeline verlagern würde? Ein für sie schmeichelhafter Gedanke, gewiss, aber sie glaubte es nicht. All ihre Pläne waren schief gegangen, und nur der Himmel wusste, was jetzt geschehen würde.
Lady Gertrude quetschte sich durch die Menschenmenge zurück. »Hier bin ich, hier bin ich!« Sie sah zwischen den beiden hin und her und sagte: »Ich spüre eine gewisse Spannung. Soll ich wieder gehen?«
»Aber nein. Wir werden gleich angekündigt.« Mr. Knight gab dem Lakaien ihre Namen.
Mit gesenkter Stimme sagte Lady Gertrude zu Eleanor: »Ich habe vielleicht Geschichten gehört.« Sie zwinkerte, nickte und flüsterte theatralisch: »Später, wenn wir ungestört sind.«
»Ja, Madam.« Eleanors Kehle war trocken, ihre Handflächen waren nass, und ihr Kopf fühlte sich leicht und wie geschoren an. »Später.«
Verschwommen hörte sie den Lakaien sagen: »Ja, Mr. Knight. Ich weiß, wer Sie sind.« Er wandte sich dem lärmenden, überfüllten Ballsaal zu und rief: »Ihre Ladyschaft, die Marchioness of Sherbourne und künftige Duchess of Magnus!«
Im Ballsaal hoben sich die Köpfe.
»Lady Gertrude, die Countess of Glasser!«
Die Gespräche begannen zu verstummen.
»Und Mr. Remington Knight!«
Während sie die Treppe hinunterschritten, wurde es immer stiller. Sogar das Orchester schwieg. Ihr ganzes Leben lang hatten Eleanor nicht so viele Menschen angestarrt. Schlimmer noch, sie erkannte in der Menge viele Gesichter wieder. Erkannte man sie umgekehrt auch wieder? Wann würde der Schwindel auffliegen?
Lady Gertrude plapperte ungerührt weiter: »Wir haben einen ziemlich großen Auftritt, und es herrscht ein schreckliches Gedränge, genau wie ich es erwartet hatte. Ist das nicht aufregend?«
Aufregend bestimmt nicht. Entsetzlich . Eleanors Hand klammerte sich um Mr. Knights Ellenbogen. Stufe für Stufe, die Treppe wurde immer länger. Alle diese Augen starrten und starrten sie an. Ihre Füße wurden langsam zu groß für die Stufen. Sie würde bestimmt stolpern und hinfallen. Ja, sie würde hinfallen, und auch wenn man sie nicht als Hochstaplerin enttarnte und hinauswarf,
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