Ein Kuss von dir

Duchess gerne ihre Freundin nennen würde.« Jemand, der sie angesprochen und ob des Anblicks nicht laut aufgeschrien hatte. Im Augenblick hatte Eleanor Horatia fast gern.
    »Sie sprechen von sich selbst immer in der dritten Person, als gehörten Sie dem Königshaus an«, stellte Remington fest.
    »Fast«, erwiderte Eleanor. »Nur fast.«
    Nahmen denn alle an, dass die Reise Madeline verändert hatte? So sehr verändert, wie Horatia sich verändert hatte? Denn, falls das der Fall war, kam Eleanor mit dieser Hinterlist vielleicht durch.
    Viele andere Leute schlichen um sie herum und warteten auf die Chance, mit ihr zu sprechen. Kaum, dass sie aufsah, kam schon der erste Gentleman auf sie zugelaufen, als führe er einen Sturmangriff an. Klein, kahlköpfig und in einem fremdländischen, gelb-blau gemusterten Jackett verbeugte er sich mit großer Geste. »Euer Gnaden, es ist schön zu sehen, dass Sie nach England zurückgekehrt sind. Wir haben Ihre Schönheit bitterlich vermisst.«
    Sie erinnerte sich an ihn: ein Bürgerlicher, der sich seinen Platz in der Gesellschaft mit Geld erkauft hatte. Wie eine Motte schwirrte er von einem reichen Adeligen zum nächsten. Sie war sicher, dass er sie nicht als Betrügerin entlarven würde, und wenn doch, hätte er, aus Angst, sich zu irren, nicht gewagt, etwas zu sagen. »Danke, Mr. Brackenridge.«
    Sie gestattete ihm, ihre behandschuhte Hand zu nehmen und sich mit dem ganzen Eifer des hingerissenen Beaus darüber zu verbeugen.
    »Vorsicht, Brackenridge, es würde mir nicht gefallen, Sie zum Duell fordern zu müssen.« Mr. Knight stand links von ihr, groß, gerade, unerfreut, wie ein Drache, der seine geraubte Lady beschützte. Und in gewisser Weise war er das auch. Viele der Gäste hier mussten die Verbindung von Englands nobelster Adelsdame mit einem amerikanischen Geschäftsmann für eine Schande halten. Doch solange er sich neben ihr auftürmte, würde keiner so waghalsig sein, Knights Anspruch in Frage zu stellen.
    Eleanor hörte Brackenridges nervöse Erwiderung nicht mehr, weil schon der nächste Gentleman vor sie trat. Rothaarig und sommersprossig wirkte er nicht älter als achtzehn, dennoch sagte er: »Euer Gnaden, wie schön, Sie wiederzusehen.«
    Wiederzusehen? Eleanor konnte sich nicht entsinnen, ihn je getroffen zu haben. Sie lächelte höflich und versuchte verzweifelt, sich an seinen Namen zu erinnern.
    »Hör auf, sie zu necken, Owain, du weißt, sie hat uns damals kaum bemerkt.« Ein Mädchen, das Owain bemerkenswert ähnelte, knickste anmutig. »Das ist mein Zwillingsbruder, und als wir Sie kennen lernen durften, waren wir noch Kinder. Ich bin Miss Joan Hanslip, und das ist Owain.«
    »Ah, jetzt fällt es mir wieder ein!« Madeline und Eleanor hatten die Hanslips vor fünf Jahren besucht und eine große, fröhliche Familie angetroffen. »Es freut mich, Sie wieder zu sehen, Mr. Hanslip. Ist dies Ihre erste Saison, Miss Hanslip?«
    »Ja, und es ist wunderbar.« Sie warf dem großen dünnen Mann, der hinter ihr stand, ein Lächeln zu.
    Er war etwa in Mr. Knights Alter, und Eleanor erinnerte sich sehr gut an ihn – genauso wie er sich unzweifelhaft an sie. »Lord Martineau. Wie schön, Sie zu sehen.« Sie sprach leise und stellte sich erneut darauf ein, enttarnt zu werden.
    »Ein Privileg, Sie zurückzuhaben, Euer Gnaden«, sagte er, aber es war ihm egal, ob sie hier war oder im Hades. Er hatte nur Augen für Miss Hanslip.
    Eleanor betrachtete die Menschen um sich herum, bemühte sich, die Gesichter zu identifizieren, die Namen zu erinnern und die Duchess zu sein, die sie erwarteten. Sie musste so tun, als sei sie eine Aristokratin. Und nicht nur eine Aristokratin. Sondern eine der ranghöchsten; eine, die einen Skandal heraufbeschworen und das Land hatte verlassen müssen, um auf ausgedehnte Reisen zu gehen; eine, die man am Spieltisch gesetzt und verloren hatte und die nun einem amerikanischen Emporkömmling gehörte. Kurz gesagt, eine Aristokratin, die das Interesse und die Neugier aller weckte, die hier im Ballsaal versammelt waren.
    »Euer Gnaden, welch ein Privileg, dabei zu sein, wenn Sie nach so langer Zeit aus dem Exil zurückkehren.« Das Korsett des Gentleman knarrte, als er sich verbeugte, und sein buschiger Backenbart thronte wie ein Wesen eigener Art auf den Wangen. »Sie müssen froh sein, wieder in der Zivilisation zurück zu sein. Welch eine wüste Expedition! So verhängnisvoll!«
    »Ich bin froh, in einem Stück zurück zu sein.« Die Leute