Ein Kuss von dir
kicherten, als habe sie einen Witz gemacht, und die Gesichter wurden zunehmend mehr. Eleanor blinzelte und versuchte, sich an den Namen des Gentleman zu erinnern. Was ihr auch gelang. Von sich selbst begeistert, sprach sie: »Aber es war nicht im Geringsten unangenehm … Mr. Stradling.«
Er wich zurück, durch und durch brüskiert. » Lord Stradling.«
Eleanor lief puterrot an. »Natürlich. Viscount Stradling. Vergeben Sie mir, mein Gedächtnis hat mich kurzzeitig im Stich gelassen.«
»Schön, Sie zu sehen, Stradling.« Mr. Knight schien sich über ihren Fauxpas zu amüsieren. »Wie ist es Ihrem Pferd beim letzten Rennen ergangen?«
Während Mr. Knight Stradling zur Seite nahm, trat eine Lady vor, rollte die Augen in Stradlings Richtung und zuckte die Achseln, als wolle sie Eleanor bedeuten, es nicht so ernst zu nehmen. »Euer Gnaden, ich bin sicher, Ihre Abenteuer haben Ihnen jeden Namen aus dem Gehirn gepustet. Ich bin Lady Codell-Finch, und wie so viele von uns möchte auch ich zur Verlobung gratulieren.«
»Ja, herzlichen Glückwunsch.« »Gratulation!« »Erstaunliche Verlobung.«
Die Glückwünsche waren unaufrichtig und wurden von mehr als einem verliebten Blick begleitet, aber Eleanor tat erfreut, wie Madeline es getan hätte. Sie griff nach Mr. Knights Arm und drückte ihn. »Er sieht ja so gut aus.« Sie wagte es tatsächlich, trotzig das Kinn zu recken. »Ich wünschte, Sie alle könnten so glücklich sein!«
Die prächtig gekleideten, übermäßig parfümierten Gäste waren offenkundig konsterniert. Sie schienen erwartet zu haben, dass die Duchess sich mit ihnen, dem englischen Adel, solidarisierte und zwinkernd und seufzend zum Ausdruck brachte, wie sehr sie diese Verbindung verabscheute. Aber Eleanor brauchte nicht erst nachzudenken, wie Madeline in dieser Situation reagiert hätte, denn in diesem Fall waren die Cousinen sich einig. Keine von ihnen hätte zugelassen, dass Mr. Knight eine Kränkung widerfuhr. Sie wollten diese Heirat nicht, aber der Stolz der de Lacys ließ nicht zu, das irgendjemanden sehen zu lassen.
Nah an ihrem Ohr sagte Mr. Knight leise: »Hübsche Vorstellung, aber falls Sie glauben, mich damit beeindrucken zu können, muss ich Ihnen sagen, dass ich mich an den Morgen, an dem Sie fortlaufen wollten, durchaus erinnere. Heute Abend haben Sie mir getrotzt, was Ihr Haar und Ihr Kleid betraf und mich belogen, um Ihren Kopf durchzusetzen. Ich nehme Ihre Worte unter Vorbehalt.« Er lachte tief. »Lächeln Sie, als würde ich Ihnen Liebesworte ins Ohr flüstern, dann sind all diese Ladys unzufrieden, wenn sie heute Abend mit ihren Männern ins Bett gehen.«
Eleanor lächelte und wünschte sich unendliche, hoffnungslose Minuten lang, jemand anderes zu sein. Irgendjemand anderes. Hier neben Mr. Knight zu stehen, alle Augen gierig auf sich gerichtet, ließ es ihr wie ein Kinderspiel erscheinen, auf ein französisches Bataillon zu treffen oder in einem türkischen Harem gefangen zu sein. Aber zumindest hatte sie bis jetzt niemand erkannt. Zumindest hatte sie keiner eine Betrügerin genannt. Die Menschen, die sie zuletzt vor vier Jahren getroffen hatte, hatten sich verändert und nahmen an, dass auch sie – besser gesagt, Madeline – sich verändert hatte. Außerdem war Eleanor Madelines Gesellschafterin gewesen, eine so unbedeutende Person, dass kaum einer sich die Mühe gemacht hatte, sie genauer anzusehen. Das, ihr zurückhaltendes Naturell und dass Aristokraten sich für unfehlbar hielten, bewahrte sie vor Entdeckung.
Eleanor hätte nie gedacht, dass sie so viel Glück haben würde.
Dann plötzlich war die Glückssträhne zu Ende.
Eine reife Schönheit mit perfekter Figur bahnte sich mit den Ellenbogen ihren Weg. Sie hatte ein vornehm schmales Gesicht und Kinn. Die vollen Lippen zogen ein unaufhörliches und überlegenes halbes Lächeln. Ihr Haar war goldblond, die Augen waren braun und standen exotisch schräg.
Sie war hinreißend. Sie war anmutig.
Sie war Eleanors größter Albtraum.
11
Lady Shapster, Eleanors Stiefmutter wartete nur darauf, Eleanor an den exponiertesten Orten und in erniedrigendster Weise zu demütigen.
Eleanor stand im Zentrum eines Kreises, die ganze Aufmerksamkeit auf sich gerichtet, und wich plötzlich zurück – in Mr. Knights Arme.
Die Hände auf ihre Hüften legend, gab er ihr Halt – und hielt sie gefangen.
Gefangen. Zwischen einem alten und einem neuen Albtraum.
Eleanor kämpfte um Luft, um die wachsende Panik zu ersticken. Sie wusste
Weitere Kostenlose Bücher