Ein Kuss vor Mitternacht
Eltern ist, heißt das denn nicht, dass Sie irgendwann gleichfalls einwilligen?“, fragte Constance, deren Glücksgefühl im Schwinden begriffen war.
„Nein!“, rief Dominic schroff. „Gütiger Himmel, nein! Ich würde mir lieber eine Giftschlange ins Bett nehmen als Muriel – wobei vermutlich kein großer Unterschied zwischen den beiden ist.“
„Aber wissen Ihre Eltern denn nicht, wie sehr Sie sich gegen diese Heirat sträuben?“, fragte Constance.
Dominic schnaubte verächtlich. „Meine Eltern interessieren sich nicht für meine Gefühle. Was ich denke und empfinde, ist ohne Bedeutung für sie. Alles, was in ihren Augen zählt, ist der Landbesitz, der Erhalt des Titels und der Familie.“ Er setzte sich wieder neben Constance. „Redfields verfügt über ausgedehnte Ländereien, aber im Laufe vieler Jahre hat sich ein hoher Schuldenberg angehäuft. Die Familie braucht dringend Geld, sehr viel Geld, um diese Schulden zu tilgen. Also hat mein Vater mich zum Opferlamm auserwählt, um dieses Ziel zu erreichen.“
„Und die Rutherfords sind wohlhabend?“
„Steinreich.“ Dominic nickte bitter. „Bei all dem Dünkel, den die Rutherfords an den Tag legen, ist ihr Adelstitel nicht alt und überdies mit dem Makel behaftet, gekauft worden zu sein. Lady Rutherfords Großvater war Kaufmann, der sich ein enormes Vermögen im Tuchhandel erwarb, das ihm die Möglichkeit gab, sich die Tochter eines Viscounts für seinen Sohn und einen Baron für seine Enkelin zu kaufen. Und nun tut Lady Rutherford alles dafür, die gesellschaftliche Leiter um einige Sprossen höher zu steigen und ihre Tochter zur Countess zu erheben.“
„Ich begreife.“
„Diesen Plan haben die beiden zusammen ausgeheckt, mein Vater und Lady Rutherford, wobei die Wünsche des Hauptbetroffenen in dieser Farce völlig gleichgültig sind. Ein Sohn hat seine Pflicht zu erfüllen. Das Einzige von Bedeutung ist das Wohl und der Fortbestand der Familie und des Titels.“
„Und wie denkt Muriel darüber?“, fragte Constance, obgleich sie ziemlich sicher war, die Antwort zu kennen, hatte ihr Muriel doch mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Lord Leighton als ihr Eigentum betrachtete.
„Welche Einwände sollte sie dagegen haben? Sie ist ebenso dünkelhaft und ehrgeizig wie ihre Mutter. Der einzige Grund, warum sie sich einen Earl angeln will, ist die Tatsache, dass die Aussichten auf einen noch höheren Titel eher schlecht sind. Würde sie sich bei Rochford Chancen erhoffen, hätte sie ihn längst ins Visier genommen. Im Übrigen stünde ich weit unten auf ihrer Liste, würde die Zeit nicht drängen und ihre Hoffnungen schwinden. Sie wirft mir ja auch ständig vor, ich zolle meiner gesellschaftlichen Position nicht genügend Respekt.“ Er lächelte freudlos. „Zweifellos ist sie der festen Überzeugung, mir sämtliche Flausen auszutreiben, wenn wir verheiratet sind.“
„Das traue ich ihr allemal zu“, pflichtete Constance ihm bei. „Ich gestehe freimütig, ich bin erleichtert zu hören, dass Sie nicht die Absicht haben, sie zu heiraten. Ich kann Miss Rutherford nicht leiden.“
„Ich auch nicht. Ich hatte ja eine unbestimmte Ahnung, dass mein Vater plante, mich während dieses Sommerfestes umzustimmen und meine Einwilligung zu erzwingen. Deshalb hatte ich ursprünglich nicht vor zu erscheinen.“ Er legte eine Pause ein und sah Constance an. „Bis Francesca mir eröffnete, dass auch Sie kommen.“
Constance senkte scheu die Lider. Die Wärme in seinem Blick verwirrte sie. Sie war zwar froh darüber, dass Lady Rutherford die Geschichte mit seiner Verlobung mit ihrer Tochter erfunden hatte. Allerdings war sie sich auch im Klaren darüber, dass die Gründe seines Vaters, diese Verbindung zu fördern und durchzusetzen, immer noch gegeben waren. Die Familie benötigte dringend eine reiche Braut für Dominic. Er hatte Constance nicht getäuscht, hatte sich nicht als notorischer Frauenverführer entlarvt. Aber eines Tages musste er eine standesgemäße und reiche Frau heiraten, um seine Pflichten der Familie gegenüber zu erfüllen. Constance wäre tollkühn und völlig verrückt, sich auch nur einen Schritt auf den gefährlich tückischen Weg der Liebe zu wagen, der sie ins sichere Verderben führen würde.
„Aber Sie sind nicht einer von den Menschen, die sich vor Verantwortung drücken“, sagte sie leise.
Er schwieg einen Moment, und dann antwortete er ebenso leise. „Nein, ich denke nicht. Obgleich ich in den letzten zwei
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