Ein Land, das Himmel heißt
auf, der in einem Anbau untergebracht war. Nelly stand über den Tisch gebeugt, der eine Insel in der Mitte der großen Küche bildete und dessen Arbeitsfläche wie die der hellen Holzeinbauküche weiß gefliest war. Mit flinken Händen rollte die alte Zulu deftig aus runden Teigportionen Brotstangen. Fünf lagen schon auf dem Blech vor ihr, sie legte die sechste dazu, schnitt in jede drei Kerben, puderte ein wenig Mehl darüber und schob sie in den Herd.
Unter einem blau karierten Geschirrtuch ruhte eine Teigkugel, ein Korb mit frischen Brötchen stand daneben. Drei dampfende Weißbrote kühlten auf einem Metallrost neben der alten, rußgeschwärzten Feuerstelle, die vor hundertfünfzig Jahren das Herz der Küche gewesen war. Irgendeiner der früheren Steinachs hatte sie gezähmt und einen Schornstein daraufgesetzt. Heute wurde sie in den kältesten Wintertagen manchmal als Kamin benutzt. Die Mahagoni-Anrichte gegenüber zierte eine Schale mit Mangos, Guaven und einer leuchtend gelben Ananas. Die Tür zum Hof war offen, die Sonne strömte durch die Fliegengittertür gefiltert herein. Mehlstaub tanzte in den Strahlen, ihre Hitze mischte sich mit der des Backofens, das Aroma des frischen Brotes mit dem süßen Duft des Obstes.
Sie schnupperte. »Köstlich. Sakubona, Nelly, geht es dir gut?« Eigentlich hieß die Zulu Nelindiwe Dlamini, wurde aber nur Nelly genannt und war ihre Nanny gewesen. Seitdem Jill ihrer Fürsorge entwachsen war, kochte Nelly für die Familie.
Die alte Frau richtete sich auf, ihre rechte Hand in den Rücken gepresst, als hätte sie dort Schmerzen, mit der anderen strich sie sich über die Stirn und hinterließ einen weißen Mehlstreifen auf ihrer dunkelbraunen Haut. »Yebo, Sakubona, Jill!« Sie lächelte breit. »Möchtest du Kaffee? Es ist welcher in der Kanne.« Sie wischte die Hände an der blauen Schürze ab, die sie über einem geblümten Kittel trug. Ihr Atem rasselte in der Lunge.
»Nein, danke, ich will gleich los, aber ich werde mir zwei Brötchen streichen. Warum lässt du dir eigentlich nicht von Thoko oder Bongi helfen? Dein Asthma klingt nicht gut.« Die beiden jungen Mädchen waren Nellys Nichten. Jill stellte die Kameratasche auf dem Tisch ab. Aus dem mannshohen Eisschrank holte sie Butter und Honig heraus, schnitt die Brötchen auf und strich beides dick auf die warmen Hälften.
Nelly stemmte die muskulösen Arme in die Seiten. Sie stand da, breitbeinig, ihre schwere Gestalt massig wie ein verwitterter brauner Monolith. »So, du denkst also, Thokozani kann Brot backen, he? Bin also zu alt. Ha!« Ihre dunklen Augen schossen empörte Blitze. »So was hat Thoko nicht in ihrer Schule gelernt. Und Bongiwe, dieses flatterhafte Ding, sie darf in der Küche nur den Fußboden wischen, sonst nichts.«
Jill unterdrückte ein Lachen. »Nelly, nie wird jemand ein Brot backen, das so gut ist wie deines, aber Thoko könnte dir das Kneten abnehmen, und wenn du ihr das Backen beibringst …«
Nelly ließ ihr keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. »Nein!« Das Wort explodierte förmlich aus ihrem Mund.
Jill verkniff sich eine Antwort. Die alte Zulu lebte in ständiger Furcht, im Alter beiseite geschoben zu werden, wollte nicht glauben, dass ihr Platz nie von einer anderen eingenommen werden würde. Die Erfahrung sagte Jill, dass sie diesen Rest von Misstrauen, den Nelly gegen alle Weißen hegte, nie würde aus dem Weg räumen können. Nelly hatte Tommy und sie großgezogen, schon ihre Mutter als Kind betreut. Sie gehörte zur Familie, trotzdem misstraute sie sogar ihr. Die Erkenntnis tat weh, denn als Kind hatte sie die Schwarze Umame genannt, Mutter. »Ich bin glücklich für dich, dass du dich stark fühlst.«
»Hmm«, brummte Nelly und zog das karierte Geschirrtuch von der Schüssel, die vor ihr stand. Der aufgegangene Teig sank mit einem Seufzer in sich zusammen. Die Schwarze schob ihn auf ihr Knetbrett und formte ihn zu einem Kloß.
Die Fliegentür quietschte. Ein Junge in einem rot-weiß geringelten Pullover und kurzen Hosen stand vor Jill. Zwischen seinen Beinen sauste Pongo mit steil aufgerecktem Schwanz in die Küche, drehte eine Runde und entschwand wieder nach draußen, nicht ohne ihn kräftig in den Knöchel zu zwicken. Er schrie auf, offensichtlich mehr vor Schreck als vor Schmerzen. »Guten Morgen, Jonas, was machst du denn hier?«, fragte sie ihn, während sie die Spuren von Pongos Bissen an seinem Bein untersuchte. »Alles in Ordnung. Die Haut ist nicht verletzt.«
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