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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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ernst, überlegte, schüttelte dann entschieden den Kopf. »Ich kann nicht in Madams Buch vorkommen, ich will hier bleiben. Ich würde sonst verloren gehen«, setzte sie leise hinzu.
    »Da hörst du’s«, rief Jill, die genau wusste, dass Irma das Angebot ernst gemeint hatte, »lass die Finger von Nelly, verstanden! Wir brauchen sie. Wovon handelt dein neues Buch?«
    »Ach, wie immer, von Menschen. Ein unerschöpfliches Thema. Liebe, Leidenschaft, Drama, Mord und Totschlag. Wie im richtigen Leben.« Sie fummelte einen Schlüssel aus den Tiefen ihrer geräumigen Umhängetasche und reichte ihn Jill. »Hier, mein Liebes, wenn ihr mal Ruhe haben wollt, könnt ihr im Spatzennest wohnen. Sicherlich wollt ihr auch einmal in die Zivilisation hinabsteigen, euch unter Menschen mischen, einen Film oder so ansehen, dann braucht ihr nicht nachts zurückzufahren – die Nacht kann man auch für angenehmere Sachen ausnutzen …« Ihr Schmunzeln war sehr anzüglich.
    »Oh ja, allerdings«, lachte Jill und küsste sie. Spatzennest, so hieß Irmas Haus in Umhlanga Rocks, dem kleinen Ort, der fünfzehn Kilometer nördlich von Durban am Indischen Ozean lag, knapp zweihundert Kilometer von Inqaba. Es war eines der letzten Wochenendhäuser, die ursprünglich vor dem Ersten Weltkrieg in den Dünen von Umhlanga gebaut worden waren. »Vielen Dank, das ist sehr großzügig von dir.« Der Weg, der durch die Felder von der Hauptstraße zur Farm führte, war normalerweise eine steinharte Sandpiste. Doch nach jedem Regen bekam sie eine schmierseifenglatte Oberfläche und verwandelte sich bei einem anständigen Wolkenbruch in grundlosen Morast. Die Hauptstraßen im ländlichen Zululand waren zwar geteert, aber von Schlaglöchern in Badewannengröße durchsetzt. Man konnte nur in vorsichtigem Slalom vorankommen, lief Gefahr, mit einem platten Reifen liegen zu bleiben, und das war nachts nicht ratsam. Nicht auf diesen einsamen Landstraßen. Nicht in Natal, Südafrika.
    Irmas Haus war das letzte vor der Umhlanga-Lagune, lag eingerahmt vom dichten Grün des Küstenurwalds auf dem Dünenrücken, der sich in wechselnder Höhe die gesamte Natalküste entlangzog, und bot einen atemberaubenden Blick über den Ozean, den Strand hoch nach Norden, nach Süden auf Umhlanga Rocks mit seinem rot-weißen Leuchtturm. An klaren Tagen glänzten Durbans Gebäude wie eine weiße Perlenkette in der Ferne. Es war nicht groß, nur ein Ferienhaus, aber der Name umschrieb seine wunderbare Atmosphäre. »Danke«, wiederholte sie.
    »Ich muss mich sputen«, rief Irma und stob hinaus.
    Nelly sah Irma nach. »Hoho, Tiefkühlpizzas«, gluckste sie. »Fährst du in die Stadt?«, fragte sie dann Jill. »Wir brauchen Tee.«
    »Gut, ich bringe welchen mit. Ich muss zum Sharksboard, dem Hai-Institut. Sie zerlegen heute einen Hammerhai, ein Weibchen, und ich brauche noch ein paar Fotos für meine Unterlagen, danach sause ich in die Stadt, kläre noch etwas mit dem Blumenladen, der den Tischschmuck liefert, fahre beim Schneider vorbei, und dann hole ich meinen Verlobten ab. Heute ist Sonnabend, er wird früh fertig sein.« Sie biss von dem Honigbrötchen ab, nahm sich kauend noch eins, bestrich es und wickelte es in Butterbrotpapier ein. »Wegzehrung«, erklärte sie. »Ist Mama schon auf?«
    »Glaube, ja«, brummte Nelly, »wozu musst du dir ansehen, wie so ein Monster, das Menschen verschlingt, von innen aussieht, möchte ich wissen?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
    »Weil ich in der Uni einen Vortrag über den Einfluss der Umweltverschmutzung auf die Sterblichkeitsrate der Haie halten muss.«
    Nelly verzog das Gesicht. »Kannst du nicht über Vögel reden? Die sind hübscher und stinken nicht so.«
    »Kann ich nicht, war kein anderes Thema frei. Außerdem stinken Haie nicht.«
    »Der Teufel wohnt in ihnen«, wich die Schwarze aus und zog das karierte Geschirrtuch von der Schüssel, die vor ihr stand. Der aufgegangene Teig sank zusammen. Sie walkte ihn durch und formte ihn zu einem Kloß.
    »Ach, Nelly«, lachte Jill, »es gibt keinen Teufel, keinen, der Weißen etwas antut. Eure Teufel haben alle Angst vor uns, das weißt du doch.« Sie öffnete die Fliegentür, wollte sich verabschieden.
    Nelly klatschte den Teigkloß auf ihr Knetbrett. »Du wirst deinem Baby schaden«, bemerkte sie.
    Jill fuhr herum, fing einen listigen Blick aus dunklen Augen auf, starrte Nelly völlig überrumpelt an. »Du kannst das nicht wissen«, stotterte sie endlich und verriet sich dabei, »ich

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