Ein Land, das Himmel heißt
hoch und in die überhängenden Zweige des Mangobaums, ohne auch nur ein Blatt zu bewegen. Mit dem Kopf auf einer Frucht ruhend, erstarrte es, war nicht mehr zu unterscheiden von dem flirrenden Grün der Blätter. Die Mango war gelb mit einem roten Bäckchen wie ein Apfel.
Evas Apfel? Eine Schlange im Paradies? Nur flüchtig streiften diese Gedanken Jills Bewusstsein, drangen nicht tiefer. Sie sah nichts weiter als eine Schlange, keine Allegorie einer Bedrohung für ihr Leben, glaubte nicht, wie Nelly es getan hätte, dass einer ihrer Vorfahren sie durch die Schlange vor Unheil warnen wollte.
*
Eine halbe Stunde später, ihr Haar war noch feucht vom Duschen und ihre Haut glänzte vor Sonnencreme, packte sie ihre Kameratasche. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass auch alle Filter und das große Teleobjektiv an ihrem Platz waren, warf sie rasch ein langärmeliges Hemd und ihre Leinenschuhe in eine geflochtene Tasche, schob sich die Sonnenbrille ins Haar und verließ den Bungalow. Der Duft nach frisch gebackenem Brot zog sie unwiderstehlich zur Küche. Rasch lief sie über den Steg und den kurzen, gepflasterten Weg. Am Swimming-Pool zögerte sie einen Moment, das Wasser lockte, aber sie musste das frühe Licht ausnutzen. Roly und Poly schossen jaulend aus dem Gebüsch, sprangen schwanzwedelnd um sie herum, enthusiastisch verfolgt von der aufgeregt quiekenden Pongo, die ihnen alle paar Schritte in die Beine zwickte.
Eine Unkrautgabel flog aus dem Gebüsch, fiel klappernd vor ihre Füße, Handschaufel, Astschere folgten, und endlich traf ein Bündel abgeschnittener Dornenzweige ihre nackten Beine. Sie schrie auf. Daraufhin raschelte es, und ein Schwarzer, ein breitschultriger, gut aussehender Mann von ungefähr vierzig Jahren, erhob sich im Laub. »Aii, Morgen, Ma’m, tut mir Leid, Ma’m!« Vergnügt lachte er zu ihr auf und kämpfte sich aus dem Gebüsch hervor, sammelte rasch sein Werkzeug ein.
»Dabu, guten Morgen, geht dir es gut? Deinen Kindern und deiner Frau auch?« Eigentlich hieß er Dabulamanzi-John, aber das war einfach zu lang. Sein Name bedeutete, dass er die Wellen des Meeres teilen konnte. Als Erster seiner Familie hatte er Schwimmen gelernt. Jill hatte ihm einmal zugesehen. Mit seinen muskelbepackten Armen, die großen Hände als Schaufelräder nutzend, pflügte er durchs Wasser, seine Beine stampften wie das Kolbengestänge einer Dampfmaschine. Berührte Dabulamanzi mit diesen groben Händen jedoch eine Pflanze, erschien dem Beobachter, dass sie sich aufrichtete, ihm die Blätter zuwandte, glänzte und wuchs. Er war ein begnadeter Gärtner. Morgens zum Sonnenaufgang machte er seinen Kontrollrundgang. Jill hörte ihn dann oft mit den Pflanzen reden, als wären es seine Freunde. Sie dankten es ihm mit üppigem Wachstum. War er einmal krank, schienen auch sie dahinzuwelken, bekamen schlaffe Blätter und ihr Grün verblasste. »Der Bohrwurm frisst unseren Hibiskus, Ma’m, wir müssen die Spritze holen.«
Jill stieß einen unterdrückten Fluch aus und blickte hinüber zu der prächtigen vielfarbigen Hibiskushecke, die am Haus leuchtete. Die Larve des Bohrkäfers höhlte Stamm und Zweige der Hibiskusbüsche aus und brachte sie innerhalb kürzester Zeit um. Die einzige Möglichkeit, den Bohrern auf den Leib zu rücken, war, Gift mit einer Spritze in den Stamm zu injizieren. Aber meist half auch das nicht. »Schneid sie runter bis auf das gesunde Holz, verbrenn die Abschnitte. Ich besorge das Gift und Siegelwachs … Pongo, du Mistvieh, lass das!«, quietschte sie. Das Warzenschwein hatte von den Hunden abgelassen und sich auf ihre Fersen gestürzt.
Dabu verschwand im Blättergewirr, sie ging dem Brötchenduft nach. Die Dobermänner trotteten hinter ihr her, Pongo war vorausgerast und kniete sich am Wegrand auf die Vorderbeine, das Hinterteil mit dem dünnen Schwänzchen hoch aufgerichtet, und rupfte Gras. Wie immer reizte sie der Anblick zum Lachen, sie empfand Warzenschweine als völlige Fehlkonstruktion. Am Haus angelangt, schloss sie die Eingangstür auf. Die Hunde setzten sich leise fiepend auf die Hinterbeine, legten die Köpfe bittend schief.
»Ihr bleibt draußen«, beschied sie ihnen. Pongo war verschwunden. Energisch klappte sie die Tür zu und bog in den langen Gang zur Küche ein. Ihre nackten Füße klatschen leise auf den honigfarbenen Fliesen. Trotz des frühen Morgens waren sie warm, jetzt im Sommer kühlten sie auch nachts kaum ab. Jill stieß die Schwingtür zum Küchentrakt
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