Ein Land, das Himmel heißt
Inqaba angekommen, standen sie für eine halbe Stunde zusammen unter der Dusche. »Ich habe Hunger«, sagte sie und drehte das Wasser ab.
»Ich auch«, murmelte er mit seinem Mund auf ihrem, »auf dich.«
Später duschten sie noch einmal. Dann wanderten sie hinüber zur Terrasse. Zu ihrer Überraschung war ihr Tisch bereits aufs Schönste gedeckt, und kaum hatten sie sich gesetzt, den üppigen Strauß duftender Frangipaniblüten bewundert, erschien Nelly, hinter ihr Bongi, die ein Tablett beladen mit allerlei Köstlichkeiten trug, gefolgt von Zanele mit der Kaffeekanne.
»Sakubona, Jill«, grüßte Nelly, blickte mit glänzenden Augen von einem zum anderen. »Willkommen auf Inqaba, Sir.« Sie hielt ein gesticktes Perlband in der Hand. Liebevoll legte sie es um Jills Stirn. »Der Iqola hat mir heute seinen weißen Bauch gezeigt«, flüsterte sie, »der Schatten ist dem Licht gewichen, und ich habe von Sternen geträumt. Ihr werdet glücklich sein, das ist die Bedeutung, und der Erfolg wird euch verwöhnen.« Mit großer Würde hängte sie eine fünfreihige weiße Glasperlenkette um Nils’ Hals, murmelte dabei Jill ein paar Zuluworte ins Ohr.
»Jetzt musst du eigentlich in einen wilden Tanz ausbrechen und zwei Rinder opfern«, kicherte sie, dachte nicht daran, ihm Nellys anzügliche Worte zu übersetzen.
Mit verstohlenem Lächeln fischte die Zulu nun ein Medizinfläschchen aus der Tasche ihres Kleides, steckte es Jill zu.
»Was ist das?«, fragte sie leise.
»Isinwazi«, sagte Nelly, gluckste vergnügt, sagte etwas auf Zulu und sah Nils dabei an.
Isinwazi. Die Pflanze, die gegen Unfruchtbarkeit helfen sollte. Jill wurde rot und schoss Nils einen verlegenen Blick zu.
»Was hat sie gesagt?«, fragte er. »Ich habe den Eindruck, es hatte etwas mit mir zu tun.«
»Sie meint, es macht sie glücklich, dass du mich mit deinem Herzen siehst.« Ihr Gesicht leuchtete. Die Bedeutung des Fläschchens verschwieg sie.
»Ich sehe dich mit meinem Herzen«, wiederholte er. »Du bist eine weise Frau, Nelly Dlamini«, rief er der alten Zulu zu, und die lachte, bis ihr üppiger Körper in Schwingungen geriet.
Nachdem sie gegessen hatten, wanderten sie über den gepflasterten Weg zum Küchengarten. Vor dem Steinkreis blieb Nils stehen. »Wie kräftig sie sind«, sagte er und strich über die frischen, herzförmigen Blätter der beiden Korallenbäumchen in ihrer Mitte. Eng aneinander geschmiegt setzten sie sich auf die sonnenwarme Mauer, schauten über das Land. Der Tibouchina an Christinas Grab leuchtete. Dann redete sie, erzählte ihm alles, der Reihe nach. Was sie mit den Kunene-Zwillingen besprochen hatte und warum sie Popi glaubte, berichtete von dem Brand und dem Skelett und davon, was mit Leon passiert war.
»Rizinusvergiftung? Welch ein Ende.« Er rieb sich die Nase. »Der Tote am Fluss trug den Ring von Catherine? Ist es Konstantin? Die Geschichte fasziniert mich.«
»Keine Ahnung, ich habe noch nichts weiter von der Polizei gehört.« Ihr Rock war hochgerutscht, seine Hand lag auf ihrem Oberschenkel. Es lenkte sie außerordentlich von seinen Worten ab.
»Das müsste man mit den heutigen forensischen Methoden herausfinden können, und wenn er es tatsächlich ist, möchte ich wissen, wie er umgekommen ist und warum, was er da gewollt hat.« Er küsste ihre Finger, jeden einzeln, seine Augen glitzerten. »Ich glaube, Catherine war wie du. Ich hätte mich auch rettungslos in sie verliebt.«
Nun fasste sie Mut, sagte ihm auch, wie es gewesen war, als sie sein Video angesehen hatte. »Ich hatte furchtbare Angst, dass die Worte am Schluss des Films die letzten wären, die ich von dir hören würde.« Sie atmete tief durch und rieb die nackte Stelle, an der einst Martins Ring gesessen hatte. Die Ränder waren verblasst. Dann sah sie ihn an. »Und wenn ich dich nicht gefunden hätte …?«
Er antwortete nicht gleich. Sein Blick glitt in die Ferne. »Seit ich dich kenne, ist meine Welt heller geworden …«, sagte er dann leise, »… bisher lebte ich nur im Heute, dachte nie an morgen. Vergaß, was gestern gewesen war.« Er hatte das Kinn gehoben, der Himmel spiegelte sich in seinen Augen. »Plötzlich kann ich weiter sehen …«
Sie hielt den Atem an, um das Gespinst seiner Gedanken nicht zu zerreißen, beschloss, ihm nie zu sagen, dass sie fast das Leben losgelassen hätte, draußen im Meer.
Nach einer atemlosen Ewigkeit sah er sie wieder an. Die blauen Augen tanzten. »Ich habe meinen Flug storniert, ich war schon
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