Ein Land, das Himmel heißt
sich.
Nils, der sie offenbar schon einige Zeit gesucht hatte, fand sie im Laden, wo sie die Tageseinnahmen zählte. »Hallo, Liebling.« Sie lächelte zu ihm hinauf, schloss die Augen und ließ sich küssen. Mit einem Fuß schob sie die Tür des Ladens zu. »Jetzt sind wir ungestört«, flüsterte sie.
»Wohin gehen wir nachher essen?«, fragte er später.
»Wir essen hier. Ich habe einen sehr speziellen Gast, den ich dir vorstellen möchte … meinen Vater. Er ist heute vollkommen überraschend aus Frankreich gekommen.«
»Oh!« Er strich ihr übers Gesicht. »Und, gab es Stress?«
»Nein, nein, nicht wirklich. Wir haben lange geredet, er hat Irma und mir alles gesagt.« Sie machte sich los, beschäftigte sich mit den Geldscheinen in der Kasse. »Ich weiß jetzt, warum meine Mutter in das Flugzeug gestiegen ist. Aber ich kann nicht darüber sprechen. Ein anderes Mal vielleicht. Es ist sehr privat. Aber ich muss dir ein paar andere Sachen erzählen. Stell dir vor, was ich von Neil Robertson gehört habe. Das könnte dich auch als Journalist interessieren.« Sie berichtete ihm die Sache mit Len Pienaar, Leon und der Wahrheitskommission. Sofort zog er sein Notizbuch hervor und schrieb mit, was sie sagte. »Ich werde Neil gleich anrufen. Das ist wirklich interessant. Vielleicht bekommen wir eine Drehgenehmigung. Gab’s sonst noch etwas? Es stinkt in der ganzen Gegend nach verkohltem Zucker. Hat etwas gebrannt?«
»Allerdings.« Sie brachte ihn auf den neuesten Stand der Dinge. »Ich glaube, dass es Popi und seine Leute waren und dass es nicht der einzige Vorfall bleiben wird. Ich werde mir eine Strategie überlegen müssen, wie ich ihn aufhalten kann.«
16
E ineinhalb Tage lang passierte nichts. Jill verbrachte diese Zeit fast ausschließlich mit ihrem Vater, mühte sich, die brüchige Verbindung zu ihm wieder zu stärken. Bei dem gemeinsamen Abendessen vorgestern hatte er Nils Rogge und Axel Hopper mit amüsanten Anekdoten unterhalten, war charmant gewesen, aufgeschlossen, hatte sie über ihre Arbeit ausgefragt, und Jill erkannte hinter dieser aufgesetzten Maske, dass ihm Nils außerordentlich gut gefiel. Erleichtert war sie an dem Abend ins Bett gesunken. Allein. Ihr tatsächliches Verhältnis zu Nils wollte sie vorerst für sich behalten. Alles brauchte ihr Vater noch nicht zu wissen.
Gestern war ihr Vater frühmorgens mit Philani und zwei Gästen zu dem großen Rundgang aufgebrochen und erst am späten Nachmittag zurückgekehrt. Er schien völlig erledigt, vertrug das Klima wohl nicht mehr, schließlich herrschte tiefster Winter in Europa, aber er war begeistert. Ausführlich berichtete er von den vielen Vögeln, die er noch nie zuvor in Inqaba gesehen hatte. »Meine Hochachtung, Kätzchen«, bemerkte er, »du hast hart gearbeitet.«
Ein Lob süß wie Honig. Den Rest des Tages hatte sie mit der Erledigung des angefallenen Papierkrams verbracht, staubtrockene, langweilige Arbeit, die aber gemacht werden musste. Vorläufig hatte sie niemanden, der ihr das abnehmen konnte. Das Geld für eine derartig qualifizierte Person stand einfach noch nicht zur Verfügung. Wenigstens war der Stapel der Rechnungen erträglicher geworden, nachdem sie sich mit dem Erlös von Martins Diamanten selbst an den Haaren aus dem Sumpf gezogen hatte.
Nach dem Abendessen gingen sie und Nils hinüber zu seinem Bungalow, immer noch darauf bedacht, dass ihr Vater nichts mitbekam. Lange saßen sie auf der kleinen Veranda vor dem Schlafzimmer. Jill trug ein langärmeliges weißes Hemd von Nils, um sich gegen die Mücken zu schützen. Sie hatte eine Flasche Prosecco mitgebracht und zwei frische Avocados, die groß genug waren, um vier Leute satt zu bekommen.
Die Flasche war fast leer, eine der dunkelgrünen Früchte mit dem gelben Fleisch hatten sie gegessen, die andere hoben sie sich fürs Frühstück auf. »Natal ist ein gesegnetes Land«, sagte Nils, als er die letzten Reste aus der Avocadoschale kratzte, »alles wächst hier, ohne dass man etwas dafür zu tun braucht, das Meer ist randvoll mit Fischen, nirgendwo ist das Gras grüner und üppiger«, er beugte sich hinüber und küsste sie ausgiebig, »und nirgendwo laufen schönere Frauen herum. Ich glaube, ich bleibe hier.«
Es wurde ein langer Abend und eine kurze Nacht, und als sie frühmorgens versuchte, diese köstliche Trägheit zu überwinden, um sich in das Tagesgeschäft zu stürzen, erinnerte sie sich an diesen Satz. Ich glaube, ich bleibe hier.
»Unsinn«, mischte sich
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