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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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überhaupt, musste es ihm schwerfallen, dessen Rolle auszufüllen. Dennoch brachte er das Leben und die Politik in seinem Land und in ganz Afrika voran, indem er die südafrikanische Wirtschaft förderte und sich aktiv an den Konfliktlösungsmissionen der Afrikanischen Union beteiligte. Aber in Bezug auf HIV/AIDS erwies er sich als unfähig, auch nur annähernd jene Orientierung zu bieten, die dringend erforderlich war, und dies hatte furchtbare Folgen. Einmal sprach ich vor der Abreise zu einer Konferenz in Südafrika mit Mbeki, um ihm mitzuteilen, dass Mandela und ich der Ansicht waren, wir drei sollten einer südafrikanischen HIV/AIDS -Klinik einen offiziellen Besuch abstatten, um die Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu lenken. Zuerst stimmte er zu. Aber als ich in Südafrika eintraf, wurde klar, dass er nicht die Absicht hatte, sein Versprechen einzulösen. »Ich denke, wir sollten uns nicht von der Konferenz ablenken lassen«, war seine einzige Erklärung.
    Zuerst schien ihm alles nur über den Kopf zu wachsen. Aber als Staatschef eines der führenden Länder Afrikas hätte er wissen müssen, dass er sich den Luxus einer solchen Reaktion nicht leisten konnte. Noch schlimmer war, dass er sich weigerte, Ergebnisse der HIV/AIDS- Forschung, die inzwischen Konsens waren, anzuerkennen: dass nämlich AIDS vom HI -Virus verursacht wird und daher durch antiretrovirale Medikamente behandelt werden kann – von denen er behauptete, sie seien ihrerseits giftig. In der Korrespondenz mit mir stellte er seine – auf dürftigster wissenschaftlicher Beratung beruhenden – Argumente in einen postkolonialen Zusammenhang, indem er die Diskussionen über das Thema für rassistisch erklärte. Zu einer Zeit, als seine Nachbarländer staatliche Mittel bereitstellten, um die Bevölkerung mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen – in Namibia zum Beispiel befanden sich 2005 71 Prozent der Infizierten in Behandlung –, weigerte er sich, ähnliche Maßnahmen in Südafrika zu ergreifen. Ein Team von Harvard-Forschern, das später die Folgen dieser Politik untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass Mbeki und seine Regierung mit einer anderen Politik, vorsichtig geschätzt, mindestens 365 000 Tode hätten verhindern können.
    Im Vorfeld der Gründung des Global Fund begann sich die öffentliche Diskussion zu unseren Gunsten zu wenden, und wir erhielten von Regierungen, Organisationen und prominenten Einzelpersonen aus aller Welt immer mehr Zustimmung. Damit rückten die Pharmaunternehmen weiter ins Rampenlicht, und der Unmut gegen sie wuchs, weil sie sich weigerten, ihre Medikamente in den Entwicklungsländern zu erschwinglichen Preisen zu verkaufen. Diese Forderung wurde jetzt von immer breiteren Kreisen erhoben. Anfang 2001 hielten meine Mitarbeiter und ich den Zeitpunkt für gekommen, um einen Vorstoß zugunsten einer drastischen Senkung der Medikamentenpreise zu unternehmen. Die Chance, bei den Pharmaunternehmen Gehör zu finden, war größer als je zuvor.
    Das war ein großer Schritt nach vorn. Die Preise antiretroviraler Medikamente waren damals derart hoch, dass unter Entwicklungshelfern die Meinung vorherrschte, die antiretrovirale Behandlung werde aufgrund der wirtschaftlichen Tatsachen in Entwicklungsländern niemals als Strategie in Frage kommen. Realistisch schienen allein die Vorbeugung und die Suche nach einem Impfstoff zu sein. Aber durch unseren Einsatz für das Recht auf Behandlung in den Entwicklungsländern und unsere Lobbyarbeit auf höchster Ebene änderte sich die Lage. Wir vertraten die Auffassung, dass es einfach eine Frage des Willens und nicht der Wirtschaft sei: Wollten wir den Millionen sterbender Menschen helfen, wenn wir das entsprechende Wissen besaßen, oder wollten wir es nicht? Unter dem Banner dieser schlichten Frage führten Peter Piot, Gro Harlem Brundtland und ich eine Reihe von Gesprächen mit Vertretern der großen Pharmakonzerne, das erste im März 2001 in Amsterdam.
    Zusammen mit dem weltweiten Druck und Engagement führten diese Gespräche dazu, dass die Pharmaunternehmen nachgaben, mit der Folge, dass die Behandlungskosten in den Entwicklungsländern drastisch sanken. Die Medikamentenpreise fielen von 15 000 Dollar im Jahr schließlich auf 150 Dollar im Jahr oder 50 Cent am Tag. Dies hatte enorme Auswirkungen. Im Jahr 2005 waren Länder wie Botswana in der Lage, 85 Prozent der Betroffenen eine Behandlung zukommen zu lassen. Die Lebensaussichten von Millionen Menschen hatten sich dramatisch

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