Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
Vom Netzwerk:
Peres bemerkte damals, es gebe zwar ein Licht (die Zwei-Staaten-Lösung), aber keinen Tunnel (keinen von beiden Seiten akzeptierten Weg, auf dem man aus der Krise heraus und zu zwei Staaten kommen könnte). Die Roadmap sollte das Licht heller scheinen lassen und den Tunnel schaffen. Eine Chance hatte sie indes nur, wenn alle Mitglieder des Nahostquartetts entschlossen waren, ihr Potential auszuschöpfen und nicht zuzulassen, dass die Konfliktparteien sich ihren Verpflichtungen entzogen.
    Es hatte Monate gedauert, bis man sich auf die Roadmap geeinigt hatte, und weitere Monate vergingen, ehe man sie umzusetzen begann. Die Eile, mit der die Vereinigten Staaten in den Krieg gegen den Irak zogen, stand in krassem Gegensatz zu dem gemächlichen Tempo ihres Handelns in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, der sich nur weiter verschärfte, je länger er vernachlässigt wurde. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre die Roadmap veröffentlicht worden, und die Konfliktparteien hätten zügig angefangen, selbst über sie diskutieren. Die USA hatten vor allem eines bewiesen: dass sie einfach nicht willens waren, ihre Umsetzung in der Weise voranzutreiben, wie wir anderen es wollten. Mich frustrierte der mangelnde Wille, im israelisch-palästinensischen Konflikt entschlossen zu handeln – zumal vor dem Hintergrund, dass wir alle den Traum von der Zwei-Staaten-Lösung teilten –, und ich äußerte dies auch im März 2003 in Interviews. Offenbar wollte niemand konkrete Schritte unternehmen, um den Traum zu verwirklichen.
    Ein starker palästinensischer Ministerpräsident?
    Der Zeitplan war nicht das einzige Problem. Die Vereinigten Staaten wollten Arafat die Roadmap nicht zukommen lassen. Sie wollten nichts mit ihm zu tun haben und erkannten ihn nicht als Verhandlungspartner an. Andererseits wäre es zwecklos gewesen, Arafat hinausdrängen zu wollen oder anzunehmen, man könne den legitimen Führer der Palästinenser ignorieren. Deshalb schlug die UNO vor, Arafat im Amt des Präsidenten zu belassen, ihm aber einen starken Ministerpräsidenten an die Seite zu stellen, der die Kontrolle über Sicherheit und Finanzen haben sollte. Das waren die beiden Gebiete, auf denen Arafat an Glaubwürdigkeit verloren hatte, von denen aber der Erfolg der Roadmap abhing. Es gelang uns, die Idee unseren Mitspielern im Nahostquartett schmackhaft zu machen.
    Arafats Einwilligung zu erhalten war eine andere Sache. Wir bemühten uns zuerst um seine prinzipielle Zustimmung, bevor wir Namen ins Gespräch brachten – obwohl klar war, dass nur Mahmud Abbas, jener führende palästinensische Politiker, der von Anfang an gegen die bewaffnete Intifada gewesen war, für den Posten in Frage kam. Arafat gab schließlich nach, und wir drängten ihn, Abbas zu ernennen, statt eines Geschäftsmanns, den er im Auge hatte, oder des libanesischen Milliardärs und Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri, dessen Namen er zum Scherz erwähnte (»er könnte uns eine Menge Geld bringen«). Schließlich sagte Arafat unter erheblichem Druck und vor dem Hintergrund des Irakkrieges, der weiter östlich begonnen hatte, zu, Abbas zu ernennen. Er wurde am 30. April 2003 vereidigt, und die Roadmap wurde beiden Konfliktparteien in aller Form überreicht. In Ramallah waren alle vier Quartett-Gesandten anwesend, während Scharon das Dokument von den Amerikanern allein erhielt. Das war die Realität. Im Verhältnis zu den Palästinensern waren die Vereinigten Staaten durchaus bereit, die Verantwortung zu teilen, aber gegenüber Israel bestanden sie auf ihrer bevorrechtigten Stellung.
    Anstatt der Roadmap zu folgen, sahen sich Scharon und Arafat nach Ausstiegsmöglichkeiten um. Arafat untergrub die Stellung von Abbas, der seine Befugnisse nicht durchzusetzen vermochte und in internen politischen Kämpfen überheblich auftrat. Gleichwohl erzielte Abbas einige Anfangserfolge, die Arafat eifersüchtig machten, der sich weigerte, die Verantwortung für die Sicherheitskräfte abzugeben. Abbas trat bald zurück, und danach begann die amerikanische Begeisterung für die Umsetzung der Roadmap abzuflauen. Die Palästinenser waren in Bezug auf die verlangten Sicherheitsgarantien noch weit von dem Zustand entfernt, der Washington hätte veranlassen können, sich in den eigentlichen politischen Fragen zu bewegen. Stattdessen trat die amerikanische Besessenheit von Arafat wieder in den Vordergrund, und dabei blieb es bis zu dessen Tod im Jahr 2004.
    Westbank-Mauer und

Weitere Kostenlose Bücher