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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Kampfeinstellung bedeutete. Im Wesentlichen setzte ich damit die Resolution 1701 nach eigenem Ermessen in eine Vereinbarung mit den Konfliktparteien um.
    Trotz Olmerts Zusicherung setzte Israel in jenen letzten drei Tagen seine Offensive fort, wobei es unter anderem in großer Menge Streumunition einsetzte, die noch lange, nachdem die Kanonen verstummt waren, libanesische Männer, Frauen und Kinder töten sollte. Den UN -Generalsekretär irrezuführen war keine exklusiv israelische Spezialität: Als ich Assad anrief, um ihn aufzufordern, den Waffennachschub für die Hisbollah einzustellen, erwiderte er einfach, Syrien beliefere die Bewegung mit gar nichts. Sowohl er als auch der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad versicherten mir, sie würden die Resolution 1701 unterstützen. Ich machte mir jedoch keine Illusionen darüber, dass diese Versicherung vor Ort viel bedeutete. Gleichwohl war es besser, eine Zusage zu haben, an der sie gemessen werden konnten, als nichts in der Hand zu haben. Das Gleiche galt für die Israelis.
    Ein Hauptelement des 1701-Pakets war eine stärkere, neugestaltete UNIFIL mit einem härteren Mandat und den richtigen Truppen. Zunächst wollten die Vereinigten Staaten UNIFIL abziehen und eine multinationale Truppe entsenden, wie von den Israelis am Anfang ihrer Kampagne gefordert. Aber mir war klar, dass sie in der Praxis nie zustande kommen und im Libanon nicht funktionieren würde; außerdem waren jene Länder, die eine solche Truppe aufzustellen verlangten, selbst nicht bereit, sich an ihr zu beteiligen. In einem Punkt waren sich alle einig: nämlich dass die Entwaffnung der Hisbollah Aufgabe der Libanesen war, und nicht der internationalen Truppen. Wie Rice mir gegenüber erklärte, hatten die Vereinigten Staaten auch nicht versucht, die Taliban zu entwaffnen, sondern es den Afghanen überlassen. Schließlich sahen auch die Amerikaner ein, dass eine umgestaltete UNIFIL nicht nur eine Option unter anderen war, sondern die einzig mögliche. Washington bestand allerdings zu Recht auf einem möglichst starken Mandat, denn auf der Grundlage des bisherigen konnte UNIFIL der Situation kaum gerecht werden. Die Führung würden die Franzosen übernehmen, und andere Europäer, aber auch Nichteuropäer würden Truppen beisteuern.
    Nach der Verabschiedung der Resolution 1701 herrschte herzlich wenig Zuversicht, dass der Waffenstillstand halten und die UN -Truppe zustande kommen würde. Mit dem Ende der Gewalt begann eine neue Phase meiner Arbeit. Wenn sich Israel zum zweiten Mal in sechs Jahren hinter die Blaue Linie zurückziehen sollte, war es von entscheidender Bedeutung, dass die versprochenen Truppen tatsächlich bereitgestellt und an Ort und Stelle gebracht wurden. Gleichzeitig musste gewährleistet werden, dass die libanesische Armee Stellungen südlich des Flusses Litani bezog.
    Ich drängte die Europäer, einen Truppenkern von ernstzunehmender Stärke zusammenzubringen. Man muss ihnen zugutehalten, dass sie meiner Aufforderung nachkamen; Ende August sagten europäische Staatsmänner in einer Besprechung in Brüssel die Bereitstellung von 8000 Soldaten zu. Um die Truppe zu vervollständigen, wandte ich mich anschließend an moslemische Länder – Malaysia, Indonesien, Bangladesch und die Türkei –, die mir ebenfalls ihre Unterstützung zusicherten.
    Die Verwüstungen in Teilen des Libanon waren enorm, und ich bemühte mich um eine rasche Aufhebung der israelischen Luft- und Seeblockade des Landes. Doch Israel wollte sich erst bewegen, wenn die internationalen Truppen vor Ort waren, während diese ihrerseits erst anrücken wollten, wenn sich Israel bewegt hatte. Bevor ich eine Einigung erzielt hatte, ließ ich mich auf ein Glücksspiel ein und gab im Grunde bekannt, dass die Blockade aufgehoben werden würde. Wie sich herausstellte, hatte ich der Sache damit den nötigen Anstoß gegeben. Manchmal muss man das Scheitern riskieren, um Erfolg zu haben.
    Die israelische Außenministerin Tzipi Livni störte besonders die Beteiligung Malaysias. Sie wandte ein, dass Israel keine diplomatischen Beziehungen zu dem Land unterhalte. Ich fand diesen Einwand übertrieben und ignorierte ihn, zumal die malaysischen Einheiten an einer Stelle stationiert werden sollten, wo sie mit israelischen Truppen nicht direkt in Kontakt kamen. Der Krieg hatte Israels Verwundbarkeit in einer immer unbeständigeren Region aufgezeigt und endete, ohne dass es eines seiner erklärten Kriegsziele erreicht hatte. Ich

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