Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Legitimität der UNO , die politische Macht der Vereinigten Staaten, die Finanzressourcen der EU und das regionale Prestige Russlands zu einer gemeinsamen diplomatischen Macht zu verschmelzen – deren Verhandlungsführer und De-facto-Vorsitzender ich wäre. Dies hätte dazu beigetragen, einen klareren internationalen Konsens darüber zu erreichen, wie eine Lösung aussehen sollte und was benötigt wurde, um sie zu verwirklichen. Doch wie in diesem Kapitel dargestellt, nahm sich das Quartett dadurch, dass es nicht auf den Grundprinzipien der Roadmap beharrte, selbst einen Teil seiner Schlagkraft und begrenzte seine Fähigkeit, das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien tiefgreifend zu verändern. Es war auf meine eigene Frustration am Ende des Libanonkriegs gemünzt, als ich dem Sicherheitsrat erklärte, die verschiedenen Krisen in der Region müssten »fortan nicht isoliert oder bilateral behandelt werden, sondern als Teil einer von diesem Rat sanktionierten und verfochtenen ganzheitlichen Gesamtanstrengung mit dem Ziel, der Region als Ganzer Frieden und Stabilität zu bringen«.
In den Jahren seit meinem Ausscheiden aus dem Amt des Generalsekretärs hat als Reaktion auf Raketenangriffe eine verheerende israelische Offensive im Gazastreifen stattgefunden, und die Palästinenser haben sich in einem Bürgerkrieg selbst zerfleischt. Eines ist jedoch gleich geblieben: Israel schafft tagtäglich Tatsachen. Der einzige Hoffnungsschimmer sind die Anstrengungen des palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad, einen Staat aufzubauen. Sie zeigen jenseits aller Argumente, dass es zumindest auf der Westbank einen palästinensischen Partner gibt, der den schweren Weg des Friedens zu gehen bereit ist.
Aus tiefem Misstrauen gegenüber Benjamin Netanjahu verfolgen die Palästinenser alternative Optionen für einen politischen Kurs nach vorn – vom Antrag auf Mitgliedschaft in der UNO bis zu verstärkten öffentlichen Protesten gegen die israelische Besetzung. Die reflexartige amerikanische Reaktion auf palästinensische Versuche, die Vereinten Nationen für sich einzuspannen, zeigt lediglich, wie belastet das Thema in der Innenpolitik der USA ist. Aber sie beraubt die Weltgemeinschaft eines Hebels zur Lösung des Konflikts. Denn welchen besseren Weg gäbe es, beiden Seiten einen Anreiz für Fortschritte zu geben, als die Bedeutung des palästinensischen Aufnahmeantrags anzuerkennen? Man könnte erklären, dass man ihn prüfen und über ihn entscheiden werde, ob nun positiv oder negativ, sobald die Parteien eine weitere Anstrengung unternommen hätten, die Bedingungen eines Friedensvertrages auszuhandeln.
Ist die UN -Route versperrt und bleiben Verhandlungen ergebnislos, wird der Chor der palästinensischen Stimmen lauter werden, der die Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde verlangt und die Verantwortung für die Besetzung wieder Israel anlastet – oder sogar dafür eintritt, das Zwei-Staaten-Modell zugunsten eines einzigen Staates aufzugeben. Unterdessen scheinen die Israelis immer weiter nach rechts zu rücken, und zwar so weit, dass viele sich die Vorteile einer Zwei-Staaten-Lösung für ihre langfristige Sicherheit, Legitimität und Identität nicht mehr vorstellen können.
Doch nur eine Zwei-Staaten-Lösung kann die Bedürfnisse beider Völker befriedigen. Früher oder später wird die Weltgemeinschaft das Risiko eingehen müssen, die grundlegenden Parameter festzulegen und an die Konfliktparteien die Erwartung zu richten, auf der Basis dieser Parameter über ein abschließendes Abkommen zu verhandeln. Das Nahostquartett sollte darangehen, diese Parameter auszuarbeiten, mit der Option, sie anschließend in einer Sicherheitsratsresolution zu verankern. Die Gefahr besteht, mit einem weiteren Lösungsversuch zu scheitern, aber die Risiken sind weitaus größer, wenn man den Konflikt weiterschwelen lässt und einfach abwartet, bis er erneut explodiert. Wir schulden es den Palästinensern und den Israelis, ihnen dabei zu helfen, diesen tragischen, bitteren Konflikt zu überwinden, bevor es zu spät ist.
Der arabische Frühling und die Zukunft der Region
Neben den ungelösten Konflikten in der Region wurde die arabische Welt jahrzehntelang vom prekären Zustand ihrer politischen Systeme blockiert. Regionale Führer beschworen regelmäßig die Wut ihrer Völker über das Leid der Palästinenser, um die Aufmerksamkeit von der Mischung aus Autoritarismus, Sektierertum, Fanatismus, Armut und Ignoranz
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