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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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zweideutige, ungenaue Formulierung der Resolution. Obwohl die Mitgliedsstaaten es nicht schätzten, wenn man sie an die Kluft zwischen Mandat und Ressourcen erinnerte, war ich entschlossen, meine Besorgnis in Bezug auf die Truppengröße, die nötig wäre, um den Plan für die Sicherheitszonen durchzuführen, vorzubringen.
    In diesem Fall bot keines der Truppen bereitstellenden Länder – weder Großbritannien noch Frankreich, Russland, Spanien oder die USA – eine Vergrößerung seines Kontingents an, noch war eines von ihnen bereit, die schon entsandten Kontingente in die neu geschaffenen Sicherheitszonen zu verlegen. Das war schon besorgniserregend genug, aber ich wollte insbesondere drei Punkte in der Resolution klären: die Bedeutung des Wortes »abschrecken«, die Art der Maßnahmen zur Entmilitarisierung der Sicherheitszonen und die Frage, unter welchen Bedingungen Luftangriffe gerechtfertigt sein sollten und wer die Befugnis haben sollte, sie anzuordnen. Ich bat den damaligen Befehlshaber in Bosnien, Generalleutnant Lars Eric Wahlgren, eine Studie über die Implikationen des Konzepts der Sicherheitszonen anzufertigen; er sollte herausarbeiten, was man brauchte, um dem Konzept Glaubwürdigkeit zu verleihen, und ob es mit den vorhandenen Truppen verwirklicht werden konnte. Anschließend bat ich meinen Militärberater, General Maurice Baril, die Stabsstudie der UNPROFOR mündlich zu präsentieren. Der Studie zufolge wären 32 000 zusätzliche Soldaten nötig gewesen, »um das Sicherheitszonenkonzept glaubwürdig durchzuführen«. Ich erwartete nicht, dass man uns derart viele Soldaten zur Verfügung stellen würde, nahm mir aber vor, ganz klar zu machen, welche Konsequenzen die Beschlüsse über neue Einsätze hätten. Die Truppen bereitstellenden Länder, insbesondere Großbritannien und Frankreich, aber auch die Vereinigten Staaten, reagierten verärgert auf die Präsentation und warfen der DPKO Inkompetenz und schlechte Arbeit vor. Ihre Präferenz und das Thema, auf das sich die DPKO ihrer Meinung nach konzentrieren sollte, war die Option des »leichten Minimums«, die, wie es Frankreich schon früher angeregt hatte, lediglich die Entsendung von fünftausend neuen Soldaten vorsah.
    Besonders unzufrieden mit unserer Leistung war der britische UN -Botschafter David Hannay, und er hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Was den Wortlaut der Resolution 836 betraf, so stellte er klar, dass die Formulierung »von Angriffen auf die Sicherheitszonen abzuschrecken« absichtlich anstelle von »zu verteidigen« gewählt worden sei; ganz ähnlich habe man sich für »den Abzug der militärischen und paramilitärischen Einheiten … zu fördern« entschieden, anstelle von »sicherzustellen oder zu erzwingen«. Nach Ansicht der Truppen bereitstellenden Staaten, betonte er, solle die »Abschreckungsfähigkeit« von UNPROFOR aus ihrer Präsenz in den Sicherheitszonen herrühren und nicht aus ihrer tatsächlichen Stärke. Was die Entmilitarisierung der Sicherheitszonen angehe, solle UNPROFOR »Zusicherungen anstreben« und, wenn möglich, »freiwillige Vereinbarungen« mit der bosnischen Regierung aushandeln. An General Wahlgren schrieb ich über die Sitzung, keiner der sechs anwesenden Repräsentanten »schien sich eine Streitmacht vorzustellen, die in der Lage wäre, diese Zonen zu verteidigen«, und vor allem habe keiner von ihnen die Bereitschaft gezeigt, zusätzliche Truppen für UNPROFOR zur Verfügung zu stellen.
    Zur Rechtfertigung ihrer Haltung verwiesen die Truppen bereitstellenden Staaten darauf, dass die Sicherheitszonen lediglich eine »temporäre Maßnahme« in Vorwegnahme einer umfassenden politischen Lösung darstellten. Wir wussten jedoch, dass »temporäre« Maßnahmen die Neigung haben, zu permanenten Einrichtungen zu werden und ein Eigenleben mit eigener Logik zu entwickeln. Darüber hinaus riefen Maßnahmen solcher Art, wie temporär sie auch gedacht sein mochten, unvermeidlich Erwartungen hervor, und was aus unserer Sicht entscheidend war, sie erforderten Ressourcen. Selbst die leichte Minimaloption erwies sich als unerreichbar, so dass wir gezwungen waren, mit den begrenzten Ressourcen, die wir hatten, irgendwie zurechtzukommen.
    In dieser Zeit wurde die politische Entwicklung von mehreren Elementen vorangetrieben, die unseren Spielraum begrenzten. Das erste und wichtigste war die Tatsache, dass die entscheidenden Sicherheitsratsmitglieder, insbesondere Großbritannien und Frankreich auf der

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