Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
einen und die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, fast während des gesamten Bosnienkrieges unterschiedlicher Meinung waren. Diese Differenzen betrafen einerseits das Wesen des Balkankonflikts, andererseits – was für uns in der DPKO am wichtigsten war – das richtige Vorgehen, um vor Ort Fortschritte zu erzielen. Im Unterschied zu anderen damaligen Missionen, wie den erfolgreichen Einsätzen in Kambodscha, El Salvador und Mosambik, war sich der Sicherheitsrat nur darüber einig, dass etwas geschehen musste, nicht jedoch über die Art des Engagements. Eine ständige Quelle der Uneinigkeit war die mögliche Unterstützung der UN -Friedenstruppe durch Luftangriffe.
Zwischen den Ländern, die Truppen vor Ort hatten, vor allem den Europäern, und den Amerikanern, die keine Soldaten entsandt hatten, bestand ein Patt. Die Europäer befürchteten, dass Luftangriffe ihre Soldaten in Gefahr bringen könnten, da diese eine militärische Reaktion gewärtigen müssten, auf die sie nicht vorbereitet waren. Die Amerikaner andererseits sahen in Luftangriffen das einzige Mittel, mit dem die Angelegenheit gelöst und die Serben gestoppt werden konnten. Nach Ansicht Frankreichs und anderer waren Luftangriffe jedoch nur möglich, wenn die Bodentruppen vorher durch kampfbereite Einheiten verstärkt worden waren.
Zweitens zögerten die UN -Mitgliedsstaaten, zusätzliche Truppen zur Verfügung zu stellen, und sie waren nicht bereit, die vorhandenen Truppen so umzugruppieren, dass sie die neuen Aufgaben erfüllen konnten. Zudem neigten die Regierungen der Truppen bereitstellenden Länder dazu, die Einheit des Kommandos zu untergraben, indem sie sich direkt mit den Kommandeuren vor Ort in Verbindung setzten.
Drittens widerstrebte es den Truppen bereitstellenden Ländern grundsätzlich, die Friedenssicherung zugunsten eines Kampfeinsatzes aufzugeben, wie sehr einzelne Resolutionen auch mehr Härte und Entschlossenheit anzudeuten schienen. Dies schuf jene »irrwitzige Kluft«, von der General Briquemont sprach.
Schließlich hatten viele in der DPKO so wie ich den Eindruck, dass die Komplexität der Situation gelegentlich übersehen, von bestimmten UN -Mitgliedsstaaten aber auch absichtlich ignoriert wurde. In der DPKO bezweifelte niemand die Doppelzüngigkeit der bosnischen Serben und ihrer Verbündeten in Belgrad, und niemand stellte je in Frage, dass sie die Schuld an den tragischen Ereignissen in Bosnien trugen, an dem unsäglichen Grauen und Leid, das sie Tag für Tag durch ihre »ethnische Säuberung« verursachten. Aber es gab auch andere Aspekte des Krieges, die UNPROFOR nicht ignorieren durfte, wie zum Beispiel den erbitterten Kampf, der 1993/94 zwischen bosnischen Truppen und Kräften des von Zagreb unterstützten Kroatischen Verteidigungsrats tobte. In Amerika wurde er in der öffentlichen Diskussion über den Bosnienkrieg kaum wahrgenommen, obwohl einige der furchtbarsten Grausamkeiten, abgesehen von Srebrenica, in diesem Konflikt begangen wurden – im September 1993 im Medak-Kessel und im Oktober in Stupni Do.
Im Frühjahr 1995 war nicht mehr zu übersehen, dass man sich in Bosnien kein weiteres Jahr mehr »durchwursteln« konnte. Mitte März bemerkte General Rupert Smith in seiner ersten Direktive als Befehlshaber in Bosnien, dass die Anstrengungen der UNO , den bestehenden Waffenstillstand durchzusetzen, fehlschlugen, während die Parteien ihre Kriegsvorbereitungen verstärkten. Die Angreifbarkeit der Friedenssoldaten in Bosnien, einer weit verstreuten Truppe, die sich de facto nicht verteidigen ließ, wurde erneut deutlich, als Ende Mai, nachdem die NATO am 25. und 26. Mai Luftangriffe auf ausgewählte Ziele rund um Sarajevo geflogen hatte, rund vierhundert UN -Soldaten als Vergeltung für diese Angriffe in Geiselhaft genommen wurden. Prompt stellte die NATO die Luftangriffe ein und honorierte damit, als wäre die Gefangennahme der Blauhelme noch nicht demütigend genug gewesen, die serbische Taktik.
Die Reaktion der Truppen bereitstellenden Länder auf diese Krise – Kürzungen und die Bekräftigung des friedenssichernden Charakters der Mission – verschärfte nur das Dilemma, vor dem wir standen, wie wir im Bericht des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat vom 30. Mai klarstellten. Nach über drei Jahren, hieß es in dem Bericht, sei die UNPROFOR immer noch »in einer Kriegssituation stationiert, in der es keinen Frieden zu sichern gibt«. Das Ergebnis war, dass wir behindert, attackiert, von
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