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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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ganz gewiss nicht die USA – bereit war, einen Krieg mit Indonesien in Erwägung zu ziehen, um eine bedrohte Minderheit in dessen Grenzen zu schützen. Nur durch eine intensive diplomatische Kampagne konnte man Djakarta zu der Einsicht bringen, dass Indonesiens künftige Beziehung zur Weltgemeinschaft davon abhing, ob es eine friedliche Lösung des seit langem schwelenden Osttimor-Problems ermöglichte; und dafür war die Anwesenheit von Außenstehenden vor Ort erforderlich. Die Frage, die uns alle verfolgte, war, ob es für das Volk von Osttimor nicht bereits zu spät war.
    Souveränität und Intervention
    Die Krise in Osttimor passierte wie alle Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert waren, nicht in einem Vakuum. Es gab noch andere Konflikte, wie diejenigen im Kosovo, im Kongo und in Sierra Leone, die unser Verständnis von Souveränität und Intervention in Frage stellten. Ich trat das Amt des Generalsekretärs zu Beginn des Jahres 1997 mit der Überzeugung an, dass wir den Einzelnen ins Zentrum all dessen, was wir als Vereinte Nationen unternahmen, rücken mussten. Die Staatenorganisation musste sich wieder auf die Rechte und den Schutz der Völker besinnen, in deren Namen ihre Charta geschrieben worden war. Außerdem war mir bewusst, dass ich mich nicht nur für die Verlagerung des Schwerpunkts der Aufmerksamkeit und Tätigkeit der UNO , sondern auch für Interventionen einsetzen musste. Die konventionelle Auffassung von der Unantastbarkeit der nationalen Souveränität, ganz gleich, welche Ungeheuerlichkeiten in den Grenzen eines Staates geschahen, musste in Frage gestellt werden.
    Wir konzentrierten uns auf die Unantastbarkeit und Universalität der Menschenrechte – in Wort und Tat – und versuchten, sie zu einem Kernelement unserer gesamten Arbeit zu machen, von der Entwicklung über Gesundheit und Frieden bis zur Sicherheit. Wenn Zivilisten wegen ihrer Volkszugehörigkeit angegriffen und getötet werden, erwartet die Welt von den Vereinten Nationen, dass sie für diese Menschen sprechen. Wenn Frauen und Mädchen das Recht auf Gleichheit verweigert wird, erwartet die Welt von den Vereinten Nationen, dass sie Stellung nehmen. In einer Welt, in der die Globalisierung die Fähigkeit der Staaten begrenzt hat, ihre Wirtschaft zu kontrollieren, ihre Finanzbranche zu regulieren und sich von Umweltschäden und Migrationsströmen abzuschotten, können und dürfen Staaten nicht das Recht haben, ihre eigenen Bürger zu versklaven, zu verfolgen oder zu foltern.
    In innerstaatlichen Konflikten wurde auf immer offensichtlichere Weise das Menschenrecht auf Leben und Sicherheit verletzt, und das bedeutete, dass wir die Beziehung zwischen Bürgern und Regierung neu gestalten mussten. Wir mussten die Weltgemeinschaft überzeugen, dass Souveränität nicht absolut gesetzt werden dürfe, sondern in Abhängigkeit davon zu sehen sei, ob ein Staat die Verantwortung für die Sicherung der Menschenrechte seiner Bürger übernahm und diesen Rechten ebenso viel Gewicht beimaß wie der Forderung nach Nichteinmischung in seine inneren Angelegenheiten. Zu dieser Auffassung war ich aufgrund der Erfahrungen mit der UN -Friedenssicherung in Somalia, Ruanda und Bosnien gelangt. Wie mein engster Vertrauter und Berater Iqbal Riza es häufig ausdrückte: Wir mussten bei den Konflikten der Welt, ob sie nun zwischen- oder innerstaatlicher Art waren, auf einer moralischen Dimension unseres Engagements bestehen.
    Dass die Weltgemeinschaft sich mit dieser schwierigen Aufgabe auseinandersetzen musste, war mir schon seit einiger Zeit bewusst. 1993, inmitten der wachsenden Spannungen im Umgang mit den Milizen in Mogadischu, als ich noch Beigeordneter Generalsekretär für friedenssichernde Einsätze war, wurde ich auf einer Pressekonferenz in New York gefragt, ob unsere Missionen eine Neudefinition der Rolle der Vereinten Nationen mit sich brächten. Ich antwortete, indem ich zunächst darauf hinwies, dass wir versuchten, Südmogadischu waffenfrei zu bekommen, indem wir in Zusammenarbeit mit dem somalischen Volk rasch ein Entwaffnungsprogramm vorantrieben; aber es gebe auch Elemente, die nicht davor zurückschreckten, diese Anstrengungen mit Gewalt zu stören. Dann fragte ich, ob es wirklich der beste Weg sei, kriminelle Elemente zu beschwichtigen und ihnen nachzugeben? »Die Vereinten Nationen«, fuhr ich fort, »befinden sich in einer sehr schwierigen Lage. Man wirft uns vor, in Bosnien nicht genug zu tun, ein zu schwaches Mandat zu haben,

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