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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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mit ihr zusammengearbeitet, und im Lauf der Zeit hatte sich eine echte Freundschaft zwischen uns entwickelt, die auf unserem gemeinsamen Interesse an einer entschlosseneren, nachhaltigeren Arbeit der Vereinten Nationen beruhte. Ein entscheidender Vorteil war, dass ich wusste, wie das System der Vereinten Nationen funktionierte – von deren weitgefächerten Missionen bis zu den Mitarbeitern im New Yorker Hauptquartier und den Diplomaten, die dessen Flure bevölkerten.
    Als die Vereinigten Staaten am 11. November 1996 in einer Sondersitzung des Sicherheitsrats mit ihrem Veto die Wiederwahl Boutros-Ghalis verhinderten, stand ich bereit, das Amt des Generalsekretärs anzutreten und mich den Herausforderungen und Schwierigkeiten zu stellen, die es, wie ich wusste, mit sich bringen würde.
    Die UN -Charta ist ein ergreifendes Dokument, das die Vision einer Weltordnung beschreibt, die nicht auf Macht, sondern auf Recht beruht. Den Generalsekretär sieht sie in der Rolle des obersten Verwaltungsbeamten der Organisation. Doch diese Definition erfasst seine Tätigkeit nicht in vollem Umfang. Sicherlich ist bei einem Budget von zehn Milliarden Dollar und 44 000 Mitarbeitern viel Verwaltungsarbeit zu erledigen. Zudem hat sich die UNO organisch und nicht immer logisch entwickelt. Neben der intensiven Zuarbeit für den tief gespaltenen und streitlustigen Sicherheitsrat – das oberste Entscheidungsorgan in Bezug auf Völkerrecht, Frieden und Sicherheit – und der Oberaufsicht über die verschiedenen UN -Aktivitäten überall auf der Welt besteht ein großer Teil der Arbeit einfach darin, dafür zu sorgen, dass all die Dienststellen und assoziierten Organisationen, welche die UNO ausmachen und mit ihr zusammenarbeiten, genau das reibungslos tun.
    Während meiner Tätigkeit als Leiter der DPKO hatte ich gelernt, wie begrenzt die Möglichkeiten der UNO sind und wie wichtig es in einer universalen Organisation mit globalen Aufgaben ist, Kreise aufzubauen, die einen unterstützen, und einen Konsens zustande zu bringen. Aus umfangreicher und häufig leidvoller Erfahrung wusste ich, dass man als Generalsekretär am meisten erreicht, wenn man fähig ist, anderen die Gerechtigkeit und Dringlichkeit seiner Anliegen nahezubringen. Andere davon überzeugen zu können, dass mein Erfolg in ihrem ureigenen Interesse liege – und dass er für ihre eigene Agenda weder eine Gefahr noch ein Hindernis darstelle –, war eine Grundvoraussetzung für jeglichen Fortschritt. Ohne die Unterstützung von Mitgliedsstaaten – und der anderen Akteure in globalen Angelegenheiten, von Wirtschaftsunternehmen über NGO s bis zu Bürgergruppen – konnte ich nur wenig erreichen. Zusammen hatten wir dagegen die Macht, den Entwicklungsgang auf jedem Gebiet der globalen Angelegenheiten zu verändern, von der Armut über die Gesundheit bis zu den Menschenrechten und der Konfliktlösung.
    Was die auf der Tagesordnung stehenden großen geopolitischen Fragen betrifft, ist es wichtig, dass man als Generalsekretär herausfindet, wo ein Eingreifen entscheidend sein kann. Ein Vorteil des Amts besteht darin, dass man als ehrlicher Makler auftreten kann, der für alle Beteiligten annehmbar ist. Andererseits kann es auch ein Problem sein, wenn Mitgliedsstaaten den Generalsekretär als Alibi für eigene Untätigkeit benutzen. Innerhalb der Organisation wurde mein Titel in der Regel als »SG« (Secretary General) abgekürzt, und ich witzelte manchmal, dies bedeute »scapegoat« (Sündenbock).
    Natürlich wird in einer Staatenorganisation jede Entscheidung in gewissem Grade politisiert. Wenn ich um Geld für Menschenrechtsaktivitäten bat, beklagten sich die Entwicklungsländer darüber, dass ich ihre Interessen außer Acht lasse. Verlangte ich Mittel für Entwicklungsarbeit, protestierten die Industrieländer, ich würde ihre Agenda gefährden. In solchen Fällen kam mir zugute, dass ich schon lange, bevor ich ins achtunddreißigste Stockwerk des UN -Hauptquartiers in New York zog – wo sich das Büro des Generalsekretärs befindet –, bei der UNO gearbeitet hatte und besser als die meisten meiner Vorgänger wusste, wie das System funktionierte. Anders als viele annehmen, verfügt die UNO nur über geringe eigene Ressourcen. Für einen Friedenseinsatz musste ich bei den Truppen bereitstellenden Staaten um Friedenssoldaten bitten und für Entwicklungsaufgaben und humanitäre Hilfe Geberländer finden. Angesichts der Bedeutung dieser Aufgaben war mir klar, dass ich eine

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