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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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für die ungewöhnliche Art der Bekanntgabe seiner Entscheidung.
    Der Preis – den ich mit den Vereinten Nationen teilte – war eine wichtige Anerkennung für unsere Anstrengungen, die UNO neu zu beleben und ihr wieder ihren Platz in der Weltpolitik zu sichern. Das Nobelpreiskomitee betonte seine Überzeugung, dass die Vereinten Nationen für die Förderung von Frieden und Sicherheit in der Welt von zentraler Bedeutung seien, und begrüßte unsere neuen Initiativen auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Bekämpfung von HIV/AIDS. Mit Blick darauf, dass die UNO eine Staatenorganisation ist, bestärkte uns das Komitee in unserem Bemühen, Souveränität nicht nur als Recht, sondern auch als Verantwortung neu zu definieren, und lobte mich für meine Klarstellung, »dass Souveränität kein Schutzschild sein kann, hinter dem Mitgliedsstaaten Rechtsverletzungen verbergen«.
    Für die Mitarbeiter der Vereinten Nationen war der Preis eine wichtige Anerkennung der Opfer, die sie in einigen der desolatesten und gefährlichsten Regionen der Welt gebracht hatten, und die UN -Mitgliedsstaaten erinnerte er an die Werte, auf denen die Vereinten Nationen gründeten. Das war von besonderer Bedeutung, da wir alle noch unter dem Schock der Angriffe vom 11. September standen. Nur einen Monat zuvor waren die Mitarbeiter und Diplomaten aus dem UN -Hauptquartier evakuiert worden. Als ich im folgenden Dezember den Preis entgegennahm, erklärte ich in meiner Dankesrede, wir hätten das dritte Jahrtausend »durch ein Feuertor« betreten. Das 20. Jahrhundert war das blutigste in der Geschichte gewesen, und doch hatten ingeniöse Staatsmänner aus der Asche des Zweiten Weltkriegs eine Organisation mit der Aufgabe geschaffen, den Frieden zu sichern und die Entwicklung aller Völker zu fördern. Die Angriffe vom 11. September warnten uns, dass das 21. Jahrhundert noch blutiger werden könnte und dass wir bei unserer Arbeit für die ärmsten und verwundbarsten Gruppen auf der Welt auf neue Gefahren und Herausforderungen stoßen würden. In Bezug auf die Grundentscheidung zwischen Gerechtigkeit und Neutralität, aktivem Eingreifen und Zuschauerrolle hatte ich die UNO jedoch eindeutig auf die Seite von Intervention und Unterstützung der Völker geführt, in deren Namen ihre Charta geschrieben worden war.
    Der Nobelpreis kam ebenso unerwartet wie meine Wahl zum Generalsekretär fast fünf Jahre zuvor. Meine Karriere hatte mich ins UN -Sekretariat und zuletzt auf den Posten des Beigeordneten Generalsekretärs für friedenssichernde Einsätze geführt. Mehr konnte ein internationaler Beamter nicht erwarten. Noch nie war ein UN -Mitarbeiter an die Spitze der Organisation gewählt worden.
    Doch als ich im April 1996 aus Bosnien zurückkehrte, wohin ich als Sonderbeauftragter des Generalsekretärs entsandt worden war, waren die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Generalsekretär Boutros-Ghali fast mit Händen zu greifen. US -Außenministerin Albright und Boutros-Ghali befanden sich praktisch im Dauerstreit, und es ging das Gerücht um, dass die USA eine zweite Amtszeit Boutros-Ghalis möglicherweise nicht unterstützen würden. Er war Anfang 1992 für fünf Jahre ins Amt gewählt worden, und außer Trygve Lie, der zurücktrat, und Dag Hammarskjöld, der bei einem Flugzeugabsturz im heutigen Sambia ums Leben kam, hatte bisher jeder Generalsekretär zwei Amtszeiten absolviert.
    Boutros-Ghali brachte einen hellwachen Verstand, ein Denken in globalen Zusammenhängen, eine akademische Geisteshaltung und eine instinktive Abscheu vor der Dominanz der Vereinigten Staaten nach dem Kalten Krieg ins Amt des Generalsekretärs mit. Sein gespanntes Verhältnis zu den USA beruhte indes nicht nur auf seiner eigenen Einstellung, sondern auch auf der üblichen amerikanischen Abneigung gegen jeden unabhängig handelnden Generalsekretär. Während sich die Kritik am Scheitern der UNO in Ruanda nicht gegen Boutros-Ghali gerichtet hatte, schien er 1994/95 die immer robustere US -Position am Balkan zu behindern.
    Hinzu kam sein autokratischer und geheimnistuerischer Führungsstil, der zu anhaltenden Schwierigkeiten in der UNO geführt und viele Mitarbeiter und Diplomaten irritiert hatte. Deshalb war er höchst angreifbar, als Washington sich gegen ihn wandte. Mitte 1996 verabredete sich Madeleine Albright zu einem Treffen mit mir, um mir mitzuteilen, dass man erwäge, mich als Kandidaten für den Posten des Generalsekretärs aufzustellen. Ich hatte immer gut

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