Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
der Vereinigten Staaten, die einst mehr als andere dafür getan hatten, um die UNO ins Leben zu rufen, jetzt aber eines der Haupthindernisse für deren Reform darstellten. Eine andere Ironie bestand darin, dass diese Gegnerschaft einige Reformen erst ermöglichte. Ein Beispiel dafür ist die Schaffung des Menschenrechtsrats. Als die Abstimmungen über die Reform näherrückten, waren die USA , Kuba und Pakistan die Hauptgegner – eine merkwürdige Koalition. Damals befand ich mich auf einer Südafrikareise, und ich rief den Präsidenten der Generalversammlung Jan Eliasson an, um zu hören, wie die Dinge standen. »Es ist schwierig«, erklärte er mir. »Ich glaube nicht, dass wir eine Einigung zustande bringen werden.« Das Problem seien diese drei Länder. Zu jenem Zeitpunkt hatte sich US -Botschafter John Bolton, der die Existenz und den Zweck der UNO überhaupt persönlich ablehnte, so weit isoliert, dass er allein dastand. Wie ich vermutete, hoffte er trotzdem immer noch, sich hinter Kuba und Pakistan verstecken zu können, so dass man ihnen die Schuld am Nichtzustandekommen des Menschenrechtsrats geben würde.
Deshalb beschloss ich, den Präsidenten von Kuba anzurufen. Fidel Castro schlief, aber ich bekam Außenminister Felipe Pérez Roque an den Apparat und erklärte ihm, dass sich Kuba nicht in diese Rolle drängen lassen dürfe. Die Mitgliedsstaaten bräuchten eine Verbesserung der Menschenrechtssituation, insbesondere die Entwicklungsländer. Kuba betrachte sich als Stimme der Entwicklungsländer, doch jetzt stehe es kurz davor, als derjenige dazustehen, der den Einsatz der UNO für die Menschenrechte vereitelt habe. Kuba sollte das Vorhaben unterstützen und sich ihm nicht in den Weg stellen. Pérez Roque rief später zurück, um mir mitzuteilen, dass Castro sich über die Angelegenheit besprochen und den kubanischen Botschafter bei der UNO angewiesen habe, den Widerstand gegen den Menschenrechtsrat aufzugeben. Eliasson war hocherfreut, als ich ihn darüber informierte.
Blieb nur noch Pakistan. Es war spät, aber ich konnte den pakistanischen UN -Botschafter Munir Akram über sein Handy erreichen. »Mir ist klar, dass Sie die strikte Anweisung haben, die Sache nicht passieren zu lassen«, sagte ich. »Ich verstehe, dass Sie sich in einer schwierigen Lage befinden. Deshalb möchte ich Ihnen helfen. Ich werde Präsident Musharraf anrufen und ihn bitten, Ihnen freie Hand zu lassen, die Ablehnung aufzugeben. Außerdem sollten Sie wissen, dass Sie unter den Entwicklungsländern allein dastehen. Sie sind der Einzige, der den Rat noch blockiert. Kuba hat seine Einwände fallengelassen.«
»Was?«, rief er aus. »Kuba?«
»Ja«, sagte ich. »Sprechen Sie mit dem kubanischen Botschafter. Er wird es Ihnen bestätigen. Ich habe mit Havanna telefoniert und die Angelegenheit geregelt. Ich bin bereit, Ihnen auf die gleiche Weise behilflich zu sein. Ich werde Musharraf anrufen.«
»Nein«, erwiderte er. »Geben Sie mir eine Viertelstunde.«
Diese Reaktion war typisch für manche Botschafter, die behaupteten, »strikte Anweisungen« zu haben, sie dann aber nach eigenem Gutdünken ändern konnten. Akram gab seinen Widerstand auf.
Damit standen die Vereinigten Staaten allein da. Bolton konnte sich hinter niemandem mehr verstecken, und wir hörten von ihm nie wieder etwas über das Thema. Im September 2005 billigten die Mitgliedsstaaten schließlich das Reformpaket. Die Stimmung vor der Abstimmung war angespannt. Tatsächlich ließ ich meine Redenschreiber einige Bemerkungen formulieren, die ich verwenden konnte, falls das Reformprojekt scheitern sollte. Am Ende wurde es jedoch einstimmig angenommen.
Obwohl wir nachdrücklicher als jemals zuvor in der Geschichte der UNO darauf hinarbeiteten, erwies sich die Reform des Sicherheitsrats aufgrund der tiefen Differenzen über seine künftige Gestalt als undurchführbar. In anderen wichtigen Punkten konnten wir jedoch Fortschritte erzielen, etwa beim Menschenrechtsrat, der Kommission für Friedenskonsolidierung und der Schutzverantwortung. Ein Aspekt blieb im Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten jedoch unerwähnt: Massenvernichtungswaffen. Eine Schande, wie ich fand. Der Anstoß zur Reform war von der Krise im Irak ausgegangen, und es war kaum nachvollziehbar, dass am Ende einer zweijährigen Diskussion darüber, wie die Vereinten Nationen auf das Problem von Massenvernichtungswaffen im Irak reagieren sollten, ein 38-seitiges Dokument stand, in dem
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