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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Bis 2011 haben mehr als zwei Drittel der UN -Mitgliedsstaaten das Statut unterzeichnet oder ratifiziert und so das Gleichgewicht zugunsten der Gerechtigkeit verschoben. Bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord betrachtet die Weltgemeinschaft jetzt nicht mehr Straflosigkeit, sondern Verantwortlichkeit als Norm. Wenn auf glaubwürdige Weise der Vorwurf erhoben wird, dass solche Verbrechen begangen wurden, müssen fortan diejenigen, die ein internationales Gerichtsverfahren nicht für nötig halten, beweisen, dass ihre eigene juristische Behandlung des jeweiligen Falls angemessen ist.
    Der bemerkenswerte Erfolg der Gründung des IStGH war die Frucht eines starken politischen Willens. Weitere Fortschritte werden Visionen, zielgerichtetes Handeln und auch Mut erfordern. So hat auf meinem Heimatkontinent die Afrikanische Union im Jahr 2011 auf Drängen einiger weniger afrikanischer Führer ihre Mitglieder aufgefordert, bei der Durchsetzung des internationalen Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschir nicht mit dem IStGH zusammenzuarbeiten.
    Aber nicht Afrika als Ganzes steht dem Gericht ablehnend gegenüber, nur bestimmte Politiker. In meinen Gesprächen mit Afrikanern aller Schichten verlangen diese vor allem eines, nämlich Gerechtigkeit: von ihren eigenen Gerichten, wenn möglich, und von internationalen Gerichten, wenn es keine realistische Alternative gibt. Der IStGH ist kein Ersatz für nationale Gerichte. Vielmehr stellt er eine letzte Instanz dar, die lediglich komplementär, ergänzend zur nationalen Gerichtsbarkeit, in Erscheinung tritt und dazu da ist, die Völker und Nationen bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit zu unterstützen.
    Als Afrikaner bin ich stolz auf den Anteil, den mein Kontinent zum Erfolg dieses Projekts beigetragen hat. Afrikanische Länder und ihre zivilgesellschaftlichen Organisationen haben bei der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs eine aktive, fortschrittliche Rolle gespielt. Dreißig schwarzafrikanische Länder sind dem Statut beigetreten; das ist der größte Regionalblock unter den Unterstützern des Gerichts. Stolz bin ich auch darauf, dass vier der fünf Fälle aus Afrika, die derzeit beim IStGH anhängig sind, von afrikanischen Staatsführern an das Gericht weitergeleitet wurden beziehungsweise mit deren Mitarbeit untersucht werden. Sie haben angesichts der begrenzten Möglichkeiten der eigenen Justiz die Hilfe eines internationalen Justizapparats gesucht. Im Fall von Kenia, wo der Chefankläger des IStGH zum ersten Mal aus eigenem Entschluss eine Untersuchung eingeleitet hat, wurde er von der kenianischen Regierung unterstützt. In allen diesen Fällen richtet sich die Untersuchung nicht gegen die afrikanischen Länder, sondern gegen die Straflosigkeit.
    In Afrika – und anderswo – sind manche darüber besorgt, dass das Streben nach Gerechtigkeit das Streben nach Frieden behindern könnte. Sie fragen: »Wie sollen wir die Führer kriegführender Parteien dazu bewegen, Frieden zu schließen, wenn danach das Gefängnis auf sie wartet?« Manche erheben den Vorwurf, die Tätigkeit der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Uganda und Darfur habe die dortigen Friedensanstrengungen behindert und verzögert. Aber nach meiner Ansicht haben Ruanda, Bosnien, das Kosovo, Osttimor und andere Fälle gelehrt, dass Gerechtigkeit ein Partner und kein Hindernis für den Frieden ist.
    Es ist schwierig, gleichzeitig nach Gerechtigkeit und Frieden zu streben, aber die Probleme können – und müssen – überwunden werden. Entscheidend ist die Umsicht der Ankläger in Bezug auf das Timing. Andererseits müssen Konfliktvermittler die juristischen Verpflichtungen des Römischen Statuts berücksichtigen. Die Wahl zwischen Gerechtigkeit und Frieden ist keine Option mehr. Wir müssen ehrgeizig genug sein, um beides anzustreben, und klug genug, um die Unabhängigkeit der Justiz anzuerkennen, zu achten und zu schützen.
    Außerdem hängen weitere Fortschritte davon ab, dass Staaten, die, wie im Römischen Statut festgelegt, ihre primäre Verantwortung ausüben, ihrerseits diejenigen, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht haben, strafrechtlich verfolgen und verurteilen. In der Frage der Straflosigkeit in internationalen Angelegenheiten darf es keinen Rückschritt und kein Nachlassen der Schwungkraft geben. Wir haben die Pflicht, die Unschuldigen zu schützen, indem wir ein Gericht schaffen, das stark, universal und effektiv

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