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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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ankommt, Radiofrequenzen verteilt werden, Schiffe und Flugzeuge sicher navigieren können. Ohne dieses Netzwerk von Gesetzen würde es jene Weltgesellschaft, deren Vorteile viele von uns genießen, nicht geben. Aber es geht um mehr als nur die Bequemlichkeit der Reichen. Für mich ist die Herrschaft des Rechts ein Mittel, Chancen zu eröffnen, Wohlstand zu schaffen und diejenigen zu schützen, die schuldlos in Gefahr sind, Leid oder Ausbeutung ertragen zu müssen.
    Trotz der Vorbehalte des Richters am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten und vieler anderer Amerikaner war die Gründung des Internationalen Strafgerichthofs ein bedeutender Sieg für die Herrschaft des Rechts in internationalen Angelegenheiten. Nach den Tragödien von Somalia, Ruanda und Bosnien besitzt er für mich einen ganz persönlichen Aspekt. In den Verhandlungen über seine Schaffung vertrat ich Ansichten, von denen ich wusste, dass sie manche Staaten provozieren würden, und benutzte gelegentlich Formulierungen, die andere Regierungen sowie Nichtregierungsorganisationen verwenden konnten, um unser Anliegen voranzubringen.
    Am Ende war es eine knappe Angelegenheit. Ich hatte 1998 in Rom bei der Eröffnung der Konferenz gesprochen, die einberufen worden war, um eine Konvention über die Gründung des IStGH auszuhandeln. Als über sie abgestimmt wurde, befand ich mich zu einem offiziellen Besuch in Argentinien. Meinem Rechtsberater Hans Corell, der mit seinem Team an der Konferenz teilnahm, hatte ich allerdings versprochen, meine Reise abzubrechen und nach Rom zu kommen, wenn eine Einigung in Aussicht stand.
    Am Tag der Abstimmung brachte Indien eine »Giftpille« ein, einen Änderungsantrag, durch dessen Annahme das ganze Vorhaben zunichtegemacht worden wäre. Würde der indische Antrag abgelehnt, wäre das letzte Hindernis aus dem Weg geräumt. Würde er angenommen, würde es keinen Internationalen Strafgerichtshof geben. Seine Gründung stand auf Messers Schneide.
    Ich rief Corell an. »Ich gehe jetzt zu einer Sitzung«, teilte ich ihm mit. »Der letzte Flug von Argentinien nach Rom geht in anderthalb Stunden. Lassen Sie es mich wissen, wenn eine Einigung erzielt worden ist.«
    »Nun, ich weiß nicht«, erwiderte Corell. »Rufen Sie mich in zwanzig Minuten wieder an.«
    Zwanzig Minuten später wurde sein Anruf zu mir durchgestellt. Er hielt den Telefonhörer in die Luft. »Hören Sie das?«, fragte er. Der indische Antrag war abgelehnt worden, und im Saal herrschte Jubel.
    Ich entschuldigte mich bei meinen argentinischen Gastgebern, eilte zum Flughafen und flog nach Rom zur Unterzeichnung des Römischen Statuts, wie es heute genannt wird. Es war eine der außergewöhnlichsten Sitzungen in meinem gesamten Berufsleben. Nicht nur die Aktivisten von NGO s, sondern auch die Regierungen, die sich für die Schaffung des Gerichtshofs eingesetzt hatten, waren erleichtert. Wir standen auf dem Podium zwischen Leuten, die Champagner versprühten, und sagten ein ums andere Mal: »Wir haben es geschafft! Wir haben es geschafft!«
    Bei der Eröffnung der Konferenz in Rom hatte ich die Delegierten gemahnt, sich zu verhalten, als wären »die Augen der Opfer früherer Verbrechen und der potentiellen Opfer künftiger Verbrechen auf uns gerichtet. Ihr Schrei nach Gerechtigkeit war es, der uns vorwärts getrieben hat, unserem Endziel entgegen.« Dieses Ziel sei ein Gericht, das »einer globalen Kultur der Straflosigkeit ein Ende bereiten« werde.
    Um diese Kultur der Straflosigkeit zu überwinden, reichte die Gründung des Gerichtshofs nicht aus, aber wenn wir seine Tätigkeit unterstützen, müssen wir uns daran erinnern, was uns zum Handeln bewogen hat. Es begann mit den brennenden Dörfern Ruandas, mit den Wegen, Feldern und sogar Kirchen voller Leichen. Im Jahr darauf wurden in Bosnien Häuser bombardiert und geschah das Grauen von Srebrenica, wo mindestens achttausend unschuldige Männer und Jungen erschossen und in Gruben geworfen wurden. In beiden Fällen versäumten UNO und Weltgemeinschaft es tragischerweise, massiv einzugreifen und die Opfer zu schützen.
    Aber diese furchtbaren Ereignisse rüttelten die Welt auf. Ad-hoc-Tribunale wurden geschaffen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und jetzt war durch das Römische Statut ein ständiger Gerichtshof gegründet worden, der dazu beitragen würde, die globale Kultur der Straflosigkeit zu beenden.
    Die an der Einigung über das Römische Statut Beteiligten können stolz darauf sein.

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