Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
genug ist, um selbst auf die hartgesottensten Despoten abschreckend zu wirken.
Die Glaubwürdigkeit wird in Frage stehen, solange drei von fünf Sicherheitsratsmitgliedern – die Vereinigten Staaten, China und Russland – nicht ihre Haltung überdenken und sich denjenigen anschließen, die den mutigen Schritt unternommen haben, das Römische Statut zu unterzeichnen. Andere, die Anspruch auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat erheben, weigern sich ebenfalls, das Statut zu ratifizieren. Ich hoffe, dass die Unterstützung des IStGH künftig eine Bedingung für die Mitgliedschaft im dann reformierten Sicherheitsrat sein wird.
Über ein Jahrzehnt nach der Konferenz in Rom hat der Internationale Strafgerichtshof seine Tätigkeit aufgenommen. Es muss hervorgehoben werden, dass er seine Jurisdiktion nur ausübt, wenn ein Staat das Römische Statut unterzeichnet hat und nicht fähig oder willens ist, Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen.
Im Fall von Uganda zum Beispiel war die Hilfe – zumindest anfangs – willkommen. In Kenia eröffnete der Chefankläger des IStGH von sich aus Ermittlungen über die Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl von 2007. Aber dies war nur möglich, weil Kenia 2005 das Römische Statut ratifiziert hatte, was ebenso wie die Ermittlungen des IStGH von vielen Kenianern begrüßt wurde.
Im Sudan sah die Sache anders aus. Aufgrund der Berichte über schwere Gräuel in Darfur, die wir im Jahr 2004 erhielten, bat ich Antonio Cassese, den ehemaligen Präsidenten des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, den Vorsitz einer internationalen Untersuchungskommission zu übernehmen, welche die Art der Gewalttätigkeiten prüfen sollte. Sie kam zu dem Schluss, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und systematische grobe Menschenrechtsverstöße begangen worden waren. In der Frage des Völkermords war die Kommission vorsichtig, denn hier musste die Bedingung erfüllt sein, dass die Verbrechen mit der konkreten Absicht, eine ethnische oder rassische Gruppe auszulöschen, verübt worden waren. Außerdem übergab Cassese mir einen Umschlag, der eine Liste mit 51 Namen enthielt, die nach seiner Meinung an den Ankläger des IStGH weitergeleitet werden sollte.
Ich legte den Bericht dem Sicherheitsrat vor und informierte ihn über die Liste mit den Namen von Verdächtigen. »Ich habe den Umschlag nicht geöffnet«, fügte ich hinzu. »Und ich schlage vor, dass auch Sie ihn nicht öffnen. Ich werde ihn Ihnen auch nicht aushändigen, sondern dem Ankläger zusenden.«
Der Sicherheitsrat verabschiedete eine Resolution, durch die die Angelegenheit dem IStGH übertragen wurde, und ich schickte den ungeöffneten Umschlag an den Chefankläger, der später nach eigenen Ermittlungen Anklagen wegen der Verbrechen in Darfur erhob, unter anderem gegen den Präsidenten des Sudan.
Es trifft zu, dass anfangs die meisten Fälle aus Afrika stammten. Doch das heißt nicht, dass die Tätigkeit des Gerichts speziell gegen Afrika gerichtet war. Wegen der Schwäche der Justizsysteme in Afrika wird der IStGH dort einfach dringender gebraucht, wie ich 2011 auf der Überprüfungskonferenz in Kampala, auf der das Römische Statut durch eine Definition der Aggression ergänzt wurde, ausführte. In dem Maß, wie diese Systeme sich festigen werden, wird man den IStGH weniger benötigen. Bis dahin stellt er jedoch eine nützliche Alternative dar, wie sich 2011 im Zusammenhang mit den Ereignissen in Libyen erneut gezeigt hat.
So wie die amerikanische Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs eine Glaubensfrage ist, so stellen andererseits manche Verfechter des IStGH die Strafverfolgung über alles andere. »Kein Frieden ohne Gerechtigkeit«, ist der Slogan, den man manchmal von ihnen hört. In den neunziger Jahren stellten wir bei den Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda fest, dass Strafverfolgung als Ersatz für reales Handeln benutzt werden kann. Im Fall von Jugoslawien war sie zum Teil Ausdruck der Empörung über die Unfähigkeit Europas, vor der eigenen Haustür verübte Massaker zu verhindern. Im Fall von Ruanda war sie vielleicht Ausdruck des Bedauerns darüber, dass man nicht einmal versucht hatte, etwas zu unternehmen.
Die Vorstellung, dass alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor internationalen Gerichten angeklagt werden könnten und sollten, ist allerdings naiv. Zunächst einmal ist im IStGH
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