Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
sind auch andere Überlegungen allgemeinerer Art von Bedeutung. Auf die Frage, warum Afrika solche Probleme hat, werden viele Afrikaner, insbesondere die älteren, eine einzige pauschale Antwort geben: Es liegt am Kolonialismus. Viele Akademiker werden dagegen auf strukturelle Faktoren verweisen, die Afrika ökonomisch behindern und seine seit langem schwierige Stellung in der Welt verursachen.
Es trifft zu, dass Afrikas kurze, aber intensive Erfahrung des Kolonialismus destruktiv und entzweiend gewirkt hat. Richtig ist auch, dass viele afrikanische Staaten Binnenländer sind, die keinen direkten Zugang zu den Seehandelswegen haben – einem wirtschaftlichen Aktivposten, dessen Fehlen viele Ökonomen als wesentlichen Grund für die bisherige schlechte Wirtschaftsleistung Afrikas ansehen. Dennoch ist es unzutreffend und, schlimmer noch, unverantwortlich, wenn Afrikaner allein dem Kolonialismus die Schuld an der Rückständigkeit ihrer Länder geben. Wenn man einige der großen Entwicklungsfehlschläge in Afrika betrachtet, bilden solche ökonomischen Hindernisse nicht den Kern des Problems.
Dreh- und Angelpunkt der modernen afrikanischen Geschichte ist die Frage der Führerschaft und die Verantwortung von Afrikanern für sie. Dies ist bis zum heutigen Tag die Grundlage meiner diplomatischen Interventionen in Afrika. Mein Heimatland Ghana, zum Beispiel, hat 1957 seine Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt. Damals belief sich das Prokopfeinkommen auf 390 Dollar. Malaysia, das im selben Jahr von Großbritannien unabhängig wurde, schien ähnliche ökonomische Aussichten wie Ghana zu haben; allerdings hatte es damals ein Prokopfeinkommen von lediglich 270 Dollar. Doch Malaysia legte die Fundamente einer parlamentarischen Regierungsform, auf denen es ein starkes politisches System aufbaute, das ein erfolgreiches, anhaltendes Wirtschaftswachstum ermöglichte. Im Gegensatz dazu erlebte Ghana einen Militärputsch nach dem anderen, den ersten 1966, so dass die Entwicklung der politischen Institutionen nur stockend vorankam. Die Folgen dieser unterschiedlichen Entwicklungstendenzen für die in den beiden Ländern lebenden Menschen sind offensichtlich: Heute ist das malaysische Prokopfeinkommen dreizehnmal so hoch wie das ghanaische. Nimmt man dieses Beispiel zum Maßstab, ist der Kolonialismus für die Debatte praktisch irrelevant. Im Zentrum des Problems stehen die afrikanische Führerschaft und die afrikanischen Institutionen.
Madagaskar ist ein weiteres Beispiel. Die Inselnation leidet nicht unter dem Fluch der afrikanischen Binnenländer oder unter den Gefahren, die von instabilen Nachbarländern ausgehen; zwei Faktoren, die oft das wirtschaftliche Wohlergehen bedrohen. Ende der neunziger Jahre nutzte Madagaskar die Vorteile des US -Gesetzes zur Förderung des afrikanischen Wachstums, das günstigere Bedingungen für Importe aus Afrika einführte. Durch die Einrichtung einer Freihandelszone und eine wirkungsvolle Regierungspolitik, die günstige Bedingungen für Wirtschaftsaktivitäten schuf, entstanden binnen kurzem dreihunderttausend neue Arbeitsplätze. Doch als Vizeadmiral Didier Ratsiraka eine Wahl verlor, blockierte er, anstatt zurückzutreten, acht Monate lang den Hafen der Freihandelszone, um die Fortdauer seiner Herrschaft durchzusetzen. Das bedeutete das Ende der Freihandelszone, die andernfalls zu einem leuchtenden Beispiel dafür hätte werden können, wie ein armes afrikanisches Land den Aufstieg schaffen und den Weltmarkt erobern kann.
Die Probleme Afrikas werden häufig so dargestellt, als seien sie vorherbestimmt, als seien die Anfechtungen, mit denen der Kontinent zu kämpfen hat, unvermeidlich oder, wenn nicht von vornherein unvermeidlich, dann durch die Kolonialisten dazu gemacht. Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, wie Madagaskar und andere Beispiele belegen. Die Verantwortung liegt bei den Afrikanern, bei ihrem Herrschaftssystem und ihren Führern. Afrika hat die Erfahrungen, die es gemacht hat, in erster Linie aufgrund von Entscheidungen gemacht, die von Einzelnen im Rahmen von Herrschaftssystemen getroffen wurden, die afrikanische Führer und ihre Anhänger bewusst geschaffen haben. Afrika, die Armut von Afrika, die Gewalt von Afrika, sind nicht das unvermeidliche Produkt des internationalen Umfeldes, sondern die Folge von Entscheidungen seiner Führer.
Als ich UN -Generalsekretär wurde, kam es kaum vor, dass den afrikanischen Führungen die Schuld an den Problemen
Weitere Kostenlose Bücher