Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
sichern und die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Aber dieses Versagen wurde als Randaspekt eines Kernproblems beschrieben: der innerafrikanischen Politik und des Verhaltens der afrikanischen Führungen.
Afrika ist meine Heimat, meine Identität. Aber wenn ich meinem Amt Genüge tun wollte, musste ich ein Generalsekretär für alle Regionen der Welt und alle 192 UN -Mitgliedsstaaten sein. Eine Bevorzugung würde es nicht geben, und das wollte ich vom Anfang meiner Amtszeit an klarstellen.
Um die Aufgaben des Generalsekretärs zu erfüllen, muss man mit der gesamten Weltgemeinschaft zusammenarbeiten. Wenn man sich zu eng definiert – etwa als Sachwalter afrikanischer Angelegenheiten –, schließt man andere Länder aus seinen Gedanken aus und schränkt seine Agenda ein. Diejenigen, die man ignoriert, werden einen bald umgekehrt auch ignorieren. Aber wenn man in einer Welt wie der unseren etwas bewegen will – insbesondere für Afrika, wo Hilfe von außen dringender benötigt wurde als in jeder anderen Region –, braucht man die Beteiligung aller. Warum hätten lateinamerikanische oder asiatische Mitgliedsstaaten mir helfen sollen, wenn ich mich als Generalsekretär nur um afrikanische Probleme gekümmert hätte? Hätte ich mich vorrangig als afrikanischer Generalsekretär verstanden, mich mit Afrikanern umgeben und afrikanischen Themen Priorität eingeräumt, hätte ich wahrscheinlich sogar weniger für Afrika erreicht, als es auf der Grundlage eines universalen Selbstverständnisses möglich war.
Die Reaktion der jüngeren Generation von Afrikanern und auch von Nichtafrikanern bestärkte mich in der Methode der strengen Liebe zu meinem Heimatkontinent. Diese jungen Leute begrüßten meine freimütigen Äußerungen in Diskussionen über die Probleme Afrikas, in denen ich die Schuld nicht nach altem Muster unfairerweise nur auf einer Seite suchte; auch sie hatten gespürt, dass diese einseitige Betrachtung dazu diente, die afrikanische Verantwortung zu leugnen. Zudem stärkte meine Haltung meine Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Regierungen, insbesondere denjenigen der reichen Geberländer, was wiederum zur Folge hatte, dass ich mehr Gehör fand, wenn ich mich bei ihnen für Afrika einsetzte und sie aufforderte, ihre Entwicklungshilfe zu erhöhen. Die UN -Mitgliedsstaaten wussten jetzt, dass ich nicht nur Afrikas Bedürfnisse realistisch wahrnahm, sondern auch sein Versagen und seine Fehler offen ansprach. Und sie wussten, dass ich mich mit außerafrikanischen Themen, die sie direkt betrafen, ebenso ernsthaft und intensiv beschäftigte.
Nach der Veröffentlichung des Afrika-Berichts waren auf der höchsten Ebene der internationalen Diplomatie augenblicklich Fortschritte zu verzeichnen: In einer Sondersitzung billigten die Außenminister der Sicherheitsratsmitglieder die in dem Bericht empfohlenen praktischen Lösungen, und auch die Generalversammlung verabschiedete zustimmende Resolutionen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD ) begann in Partnerschaft mit lokalen afrikanischen Initiativen neue internationale Lösungen auszuarbeiten. Außerdem stärkte sie die Aufmerksamkeit für die armen Länder, womit eine der Grundvoraussetzungen für die Aufstellung der Millenniumsentwicklungsziele im September 2000 geschaffen war.
Im Rahmen der Diskussion über den Bericht berief ich im November 1998 eine Konferenz in Paris ein. »Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme« war ein wiederkehrender Slogan der Konferenz – und er enthielt einen wahren Kern. Aber ich wusste, dass die afrikanischen Länder, wenn sie sich erfolgreich weiterentwickeln wollten, Hilfe von außen benötigten. Daran führte kein Weg vorbei. Doch die afrikanische Empfindlichkeit in Bezug auf den Kolonialismus trübte den Blick; sie führte zu der Befürchtung, dass Entwicklungshilfe immer noch heimtückisch und kolonialistisch sein könnte. Diese Vermutung und die unerschütterliche Schuldzuweisung an Außenstehende hatten zur Folge, dass diese im Grunde ausgeschlossen wurden, während man gleichzeitig mehr Hilfe von außen verlangte. Ich wollte alle Beteiligten von diesem dysfunktionalen Standpunkt abbringen; er vernebelte nur das wirkliche Ziel: ein besseres Afrika zum Wohl der Afrikaner zu schaffen.
»Ja, wir müssen afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme haben«, sagte ich auf der Konferenz. »Aber der Test für diese Lösungen müssen ihre Resultate
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