Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
»großen Mannes« als Lösung für Afrika beruhte ursprünglich weniger auf echter Hochachtung für diese Führer, sondern fast vollständig auf der Furcht um gesellschaftliche Stellung und Leben, die es geboten erscheinen ließ, sich diesen Autokraten und Diktatoren zu unterwerfen. Im Lauf der Zeit entwickelte sich daraus eine Art politischer Kultur, eben das System des »großen Mannes« als dasjenige Mittel, mit dem Afrika seine Herausforderungen am besten zu bewältigen schien. Diese Vorstellung war viele Jahre lang sowohl bei Afrikanern als auch bei Außenstehenden verbreitet.
Afrikas Probleme hatten ihre Ursache jedenfalls immer in einem Mangel an Institutionen, darin, dass die institutionellen Ressourcen fehlten, die nötig gewesen wären, um die komplexen politischen, sozialen und ökonomischen Aufgaben, vor denen der Kontinent stand, lösen zu können. Verantwortungslose, nicht rechenschaftspflichtige personalisierte Regierungssysteme sind ein Feind solcher Institutionen. Wenn man die Herrschaft eines Einzelnen über eine gesamte, bunt gemischte, vielschichtige Bevölkerung kultiviert, müssen Institutionen, die den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Macht verleihen, behindert und zerstört werden, also gerade jene Institutionen, die ein System für den friedlichen Machttransfer zwischen Parteien und Politikern aufrechterhalten. Zivilgesellschaftliche Institutionen, Organisationen und Aktivisten, die unabhängig vom Staat agieren und sich daher der Kontrolle der »großen Männer« entziehen, dürfen unter deren Herrschaft nicht gedeihen. Auch ein freies Unternehmertum auf der Grundlage einer freien Gesellschaft sowie eines Regelwerks und Rechtsstaats, die von den Alltagslaunen der politischen Führer unabhängig sind – was eine wesentliche Voraussetzung für eine privatwirtschaftlich angetriebene Entwicklung ist –, darf sich nicht entfalten.
Dies ist im Wesentlichen der Grund, weshalb ich die Probleme Afrikas als zutiefst miteinander verflochten betrachte. Putsche, wirtschaftliches Missmanagement, brutale Regime, ständige Menschenrechtsverletzungen und Unterentwicklung: All das verstärkt sich gegenseitig. Wahre Führung äußert sich im Aufbau von Institutionen, in der harten, nicht nachlassenden Arbeit bei der Schaffung und Entwicklung der vielen Regierungsinstitutionen und unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nötig sind, um die Probleme Afrikas zu bewältigen. Wahre Führung bedeutet, seine ganze Kraft für die politische Mammutaufgabe einzusetzen, die Macht auf friedliche Weise zum Wohl aller unter den verschiedenen Fraktionen, Gruppen und Wählerschichten aufzuteilen. Wahre Führer sind diejenigen, die bestrebt sind, nicht die eigene persönliche Macht, sondern diejenige der afrikanischen Völker zu stärken.
In den Jahren nach der Entkolonialisierung taten das freilich nur wenige afrikanische Führer. In dieser Hinsicht spielte der Kolonialismus eine große und zugleich destruktive Rolle, da er viele der strukturellen Voraussetzungen für die nachfolgende Politik geschaffen hatte. Mit dieser Bemerkung will ich die afrikanische Verantwortung nicht schmälern, die ich weiterhin als vorrangig ansehe, sondern die Ansicht widerlegen, dass dieses System in der afrikanischen Psyche und Kultur verankert sei. Vielmehr entstand es aus Schwierigkeiten, die durch von außen aufgezwungene Strukturen erzeugt wurden.
Auf dem Berliner Kongress von 1885 teilten die Kolonialmächte Afrika unter sich auf, wobei sie Grenzen zogen, die vor Ort keinen Sinn ergaben, da sie Königreiche, Staaten und Völker willkürlich teilten und andere ebenso willkürlich vereinten. Darüber hinaus führten die Kolonialmächte Gesetze und Institutionen ein, die dazu bestimmt waren, lokale Gegensätze auszunutzen, um die Kolonialverwaltung zu stärken, anstatt den Versuch zu unternehmen, diese Gegensätze zu überbrücken.
In den sechziger Jahren erbten die unabhängig werdenden Länder diese willkürlich gezogenen Grenzen und die trennenden Institutionen und Rechtssysteme. Die Aufgabe, innerhalb der Kolonialgrenzen echte nationale Identitäten zu schaffen, bot den neuen afrikanischen Führern reichlich Gelegenheit, durch die Übertünchung dieser Spaltungen den Wert ihrer eigenen Person herauszustreichen. Da jede organische Einheit fehlte, ordneten sich manche afrikanische Länder der Autorität einzelner Herrscher unter, statt den Versuch zu unternehmen, ein pluralistisches System aufzubauen. Die
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