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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Lady Sarah fuhr herum. Sie ergriff meinen Arm. »Ich muß anwesend sein, wenn Diana beerdigt wird. Bitte, fahr mich hin!«
    Jeden Wunsch hätte ich Lady Sarah abschlagen können. Nur diesen nicht.
    Damit allerdings warfen wir unseren Plan um. Na ja, vielleicht ergab sich dennoch eine Möglichkeit, alles so anlaufen zu lassen, wie wir es vorgesehen hatten.
    Wir bedankten uns bei den beiden Männern für ihre Auskünfte und verließen die Gastwirtschaft. Eine sehr nachdenkliche Sarah Goldwyn schritt neben mir her. Den Kopf hielt sie gesenkt, wobei sie ihn des öfteren schüttelte. »Ich habe es geahnt«, sagte sie. »Mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Dieser Brief war eine Warnung und ein Hilfeschrei gleichzeitig. Nur sind wir zu spät gekommen.«
    »Mach dir keine Vorwürfe«, sagte ich, als ich den Wagen aufschloß. »Du hast getan, was du konntest.«
    »Trotzdem, mein Junge, ich hätte schneller sein können« Lady Sarah stieg ein.
    Nach Einzelheiten wollte ich sie nichtmehr fragen. Zudem war das Thema für mich erledigt. Etwas anderes war für uns jetzt wichtig und hatte Vorrang.
    Es mußte vor allen Dingen der Horror-Oma gelingen, sich völlig unverdächtig in das Altenheim einzuschleusen. Auch ich durfte nicht auffallen.
    Der Begriff Zombie war gefallen und hatte mich alarmiert. Ich wußte, daß es diese lebenden Toten gab, die unvorstellbar grausam waren. Und ich dachte auch daran, daß dieses einsame Haus am Meer für Zombies ein idealer Unterschlupf sein konnte…
    ***
    Sie waren pünktlich.
    Um zwölf Uhr mittags hatten sie sich vor dem Haus versammelt, um der Toten das letzte Geleit zu geben. Die meisten von ihnen kannten das Ritual, nur wenigen war es neu, aber die würden diesen Kreislauf des Schreckens rasch begreifen.
    Selbst der Himmel schien trauern zu wollen, denn vom Meer her zogen dicke Wolkenbänke auf, die sich vor die Sonne schoben und den hellen Ball schamhaft verdeckten. Wind kam auf. Er brachte den Geruch von Salzwasser mit und spielte im Laub der Bäume.
    Die Leiche hatte man noch nicht aus dem Haus getragen. Sie wurde durch einen Nebeneingang gebracht.
    Noch war es Zeit. Die Frauen standen schweigend zusammen und hingen ihren Gedanken nach. Die meisten von ihnen beschäftigten sich mit dem Tod, dem Ende des Lebens und dem, was danach kam. Für viele konnte es kaum schlimmer werden, als das, was sie hier erlebten.
    Manch sehnsüchtiger Blick glitt zu den Hügeln hinüber, hinter denen versteckt der kleine Ort Everfalls lag. Eine andere Welt, die Rettung vielleicht, aber wer einmal im Haus der Ruhe war, den ließen sie nicht mehr fort.
    Man hätte das Haus umtaufen sollen. Als Stätte der ewigen Ruhe. Wer es verließ, immer nur mit den Füßen voran. Und gestorben wurde viel in diesem Altersheim.
    Ein halbes Dutzend schwarzer Vögel kreiste in der Luft. Krächzende Schreie drangen aus den Schnäbeln. Für die wartenden Frauen war es ein letzter Grabgesang.
    Nur eine stand ein wenig abseits. Es war Carola Finley. Sie hatte ihr Gesicht dem Meer zugedreht, so daß der Wind gegen die Haut fuhr und ihre Tränen trocknete, denn niemand sollte sehen, daß sie weinte. Sie weinte nicht nur um Diana Coleman, nein, sie beweinte auch ihr eigenes Schicksal und das der anderen Frauen, die in diesem Haus wie in einem Gefängnis gehalten wurden.
    Von ihrem Platz aus konnte sie bis zum Friedhof blicken, der im Schatten knorriger Aste lag. Die Bäume selbst harten die Jahrhunderte überdauert, und ihre Wurzeln harten sich in das Erdreich und auch in den Fels hineingefressen, damit sie den wilden Stürmen trotzen konnten. Hinter dem Friedhof war, wie sie immer sagten, die Welt zu Ende. Dort begannen die Felsen. Steile Klippen, die senkrecht in die Tiefe führten und gegen die das Meer brandete.
    Es ging die Sage um, daß sich schon einige Frauen aus dem Altersheim die Klippen hinabgestürzt hätten. Was daran stimmte, konnte niemand sagen, denn ihre Leichen waren nicht gefunden worden. Der Friedhof wurde von den Menschen immer als die vorletzte Station bezeichnet. Die letzte war das Meer. Die gierige, manchmal kochende, dann wieder trügerisch ruhig wirkende See, die ihre Opfer verschlang als hätte sie einen unersättlichen Rachen.
    Unter den grünen Dächern der sturmerprobten Bäume befand sich der kleine Friedhof. Einfache, schmucklose Gräber, wovon nicht eines durch ein Kreuz geschmückt wurde. Wer hier verscharrt wurde, der bekam keinen christlichen Segen, wurde begraben ohne das Zeichen der Hoffnung

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