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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sein.«
    »Schon gut«, sagte ich und winkte dem Wirt. Er verstand, brachte das Wasser. Ich schenkte Lady Sarah ein. Mit zitternden Händen griff sie danach, drückte den Rand gegen die Lippen und trank mit kleinen Schlucken.
    »Entschuldigt«, hauchte sie, als sie das Glas zur Seite stellte, »aber es war ein Schock für mich.«
    »Kannten Sie die Frau gut?« fragte der Wirt.
    »Ich wollte sie heute besuchen.«
    »Da ist ja auch das Sommerfest.«
    »Genau.«
    Ich sprach den Mann im grauen Kittel an. »Kennen Sie sich in dem Altersheim aus?«
    »So einigermaßen.« Er verzog das Gesicht. »Ganz ehrlich, Sir, darin leben möchte ich nicht. Da nehme ich lieber einen Strick und hänge mich auf. Das Haus ist ein Sarg im Großformat.«
    »Und dort sterben sehr oft Menschen?«
    »Kann man sagen. Kein Wunder, sind ja nur alte Leute darin untergebracht. Eine düstere Bude. Die hat auch niemand kaufen wollen, als sie leer stand.«
    »Weshalb nicht?«
    Wirt und Fahrer tauschten einen längeren Blick. Der Besitzer der Kneipe hob die Schultern. Ihm schien es egal zu sein, ob der Mann im grauen Kittel eine Antwort gab.
    »Mich interessieren alte Geschichten«, sagte ich. »Bitte, erzählen Sie schon!«
    »Na ja«, sagte der Mann. »Das Haus stand eben lange leer. Niemand wollte es haben.«
    »Und weshalb nicht?«
    Der Mann senkte seine Stimme. »Sie kommen aus London, da werden Sie unsere Denkweise ablehnen. Der Vorbesitzer, wissen Sie, das soll ein Zombie gewesen sein.«
    »Ein lebender Toter?«
    »Ja, so sagt man.«
    »Haben Sie ihn gesehen? Wissen Sie, wie er heißt?«
    »Nein, das war vor meiner Zeit.«
    Ich fragte den Wirt. »Sie denn?«
    Der Mann hob unbehaglich die Schultern. »Man nannte ihn nur den großen Vater.«
    »Ein seltsamer Name.«
    »Finden wir auch. Aber Sie müssen sich dieses Land und die Menschen mal vorstellen. Früher gehörte dem großen Vater alles. Und er war jemand, der nie alt wurde.«
    Ich trank einen Schluck Wasser und sagte: »Das verstehe ich nicht.«
    »Wie ich schon sagte. Der Kerl alterte nicht. Der hatte die ewige Jugend gepachtet.«
    »Und er lebt noch?«
    Es sah komisch aus, wie beide Männer die Schultern hoben und säuerlich ihre Gesichter verzogen. »Man weiß nichts Genaues«, erklärte uns der Wirt.
    Lady Sarah hatte sich wieder einigermaßen gefangen. Sie sprach den Fahrer an. »Aber Sie waren doch schon des öfteren da. Haben Sie da nichts gesehen?«
    »Nein. Ich kam zwar in das Haus, ansonsten konnte man das alles vergessen.«
    Die Horror-Oma schaute mich an. Auch ich empfand die ganze Geschichte als sehr mysteriös und wurde das Gefühl nicht los, daß wir beide direkt in ein dämonisches Wespennest gestochen hatten. Hier schien sich etwas anzubahnen, dessen Folgen momentan nicht zu überblicken waren.
    »Wer besitzt denn jetzt das Haus?« wollte ich wissen.
    »Es wird von einem gewissen Doc Rawson geleitet«, erklärte mir der Wirt. »Allerdings bekommt man ihn kaum zu Gesicht. Das Sagen hat eine Frau. Sie heißt Blanche Everett.«
    Mit diesem Namen konnten weder Lady Sarah noch ich etwas anfangen. Eine Blanche Everett war uns völlig unbekannt. Aber wir würden sie kennenlernen, das stand fest.
    »War sie kapitalkräftig genug um das alte Gebäude zu erwerben?« erkundigte ich mich.
    Da waren die beiden Männer überfragt.
    Jedenfalls hatten wir einiges gehört. Dieses Altenheim schien wirklich seltsam zu sein. Ich fragte mich nur, woher sie immer die Menschen bekamen.
    »Da gibt es auch nur Frauen«, berichtete uns der Fahrer. »Ich meine, als Insassen.«
    »Keine Schwestern?«
    »Nein.«
    »Und wer hilft den Menschen?«
    »Zwei gefährliche Typen Sie sind die Kalfakter. Ich kann Ihnen sagen, mit denen möchte ich keinen Streit haben.«
    »Und dort sterben oft Menschen?« wechselte Lady Sarah das Thema.
    Sie erntete ein Nicken.
    »Wo werden sie denn begraben?«
    »Auf einem Friedhof. Der liegt direkt am Haus. Praktisch parallel dazu, an den Klippen.«
    »Und wer ist dabei?«
    »Kein Pfarrer. Die machen alles allein. Diese ganze Gesellschaft ist schon ziemlich komisch. Ich jedenfalls möchte mit ihr nichts zu tun haben, das kann ich Ihnen sagen.«
    Sarah Goldwyn erhob sich. Sie rückte den Stuhl zurück, dessen vier Beine über den Boden scheuerten. »Dann kann ich damit rechnen, daß die Beerdigung meiner verstorbenen Bekannten noch heute stattfindet?«
    »So ist es.«
    »Und wann?«
    Der Mann im grauen Kittel wußte zum Glück eine Antwort. »Immer gegen Mittag.«
    »John!«

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