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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Yards später deckten sie dicke Baumstämme, und sie spürte die angenehme Kühle unter dem Blattwerk der Aste.
    Die Frauen sprachen kein Wort. Sie schienen stumm zu sein. Nur hin und wieder hörte Lady Sarah ein Schluchzen. Viele hielten die Köpfe gesenkt und Taschentücher gegen ihr Gesicht gepreßt. Wie die alten Frauen dastanden, wirkten sie auf irgendeine Weise erschreckend. Als würde jede darauf lauern, als nächste in die feuchte Grube gesenkt zu werden.
    Eine Frau stach Lady Sarah besonders ins Auge. Es war nicht die Sprecherin der Leichenrede, die konnte die Horror-Oma nicht sehen, sondern eine andere. Sie besaß helles, fast silbriges Haar, trug ein dunkles Kleid und hatte sich eine Strickjacke wegen des kühlen Windes über die Schultern geworfen.
    Irgendwie schien die Frau gespürt zu haben, daß sich jemand hinter ihr befand, denn sie drehte sich plötzlich um, und die Blicke der beiden Frauen trafen sich.
    Lady Sarah hatte Carola Finley noch nie vorher gesehen. Sie wich dem Blick der Frau nicht aus, sondern hielt ihm stand und spürte so etwas wie einen Funken überspringen. Es war der Funken der Sympathie, der zwischen den beiden sich völlig fremden Frauen wechselte. Sie sprachen nichts. Nur deutete Carola Finley ein kurzes Nicken an, und Sarah Goldwyn hoffte, das Zeichen verstanden zu haben. Sie ging nicht weiter vor, sondern blieb stehen.
    Dafür setzte sich Carola in Bewegung. Zuvor hatte sie sich umgeschaut, war jedoch nicht beobachtet worden und konnte ihren Weg beruhigt fortsetzen.
    Dicht vor der Horror-Oma blieb sie stehen. Flüsternd stellte sie eine Frage: »Sind Sie diejenige, an die meine Freundin Diana Coleman einen Brief geschrieben hat?«
    »Das bin ich.«
    »Also Sarah Goldwyn?«
    »Genau.«
    Carola Finley nickte, sagte ihren Namen und streckte die Hand aus. Die Horror-Oma nahm sie entgegen. Sie besaß eine gute Menschenkenntnis und hatte sofort gespürt, daß die Frau nicht falsch war, sondern es ehrlich meinte. Sarah Goldwyn sah Tränen in den Augen der Frau, und auch ihr war zum Weinen zumute, aber sie riß sich zusammen. Es standen noch zu viele Fragen offen.
    »Sie sind leider zu spät gekommen«, sagte Carola Finley.
    »Ich weiß.« Lady Sarah hob die Schultern »Ich konnte nicht eher kommen, denn ich bekam erst gestern morgen den Brief. Dann aber habe ich mich sehr beeilt. Wie ist sie gestorben? War sie krank? Erwähnt hat sie es in ihrem Brief jedenfalls nicht.«
    Carola Finley gab eine deprimierende Antwort. »Krank sind wir alle hier«, erklärte sie. »Wenn auch nicht körperlich, jedoch seelisch. Dieses Haus macht jeden krank« Sie drehte den Kopf und nickte zu dem unheimlich wirkenden Gebäude hin. »Dort lauert das Grauen, da lebt das Böse. Es gibt nichts Gutes.«
    »Und das hat Diana bemerkt?«
    »Ja, sie hat es. Fast alle wissen es, nur hat sie die Konsequenzen gezogen und Ihnen einen Brief geschrieben, denn sie wußte sonst nicht, an wen sie sich wenden sollte. Wer hier wohnt, der besitzt keine Angehörigen mehr. Darauf wird bei der Einlieferung geachtet. Wir leben in einem Gefängnis und kommen nicht raus. Es besucht uns niemand, bis auf die Leute, die uns mit Lebensmitteln und ähnlichem beliefern. Einem der Männer muß sie auch den Brief gegeben haben.«
    »Wer bezahlt das alles?« wollte Lady Sarah wissen.
    Da hob ihr Gegenüber nur die Schultern. »Das weiß wohl nur Blanche Everett.«
    »Das ist die Leiterin?«
    »Genau.«
    »So, laßt den Sarg in die Erde!« hörten die beiden Frauen die Stimme der Heimleiterin. »Aus unseren Augen ist sie verschwunden, aber es wird der Tag kommen, da öffnen sich die Gräber, und die Toten kehren zurück Auch für Diana Coleman ist ein Platz reserviert…«
    »Was meint sie damit?« fragte Sarah Goldwyn leise und spürte die Gänsehaut auf dem Rücken.
    »Ich weiß es nicht«, erklärte Carola.
    »Nun ja, wir werden es herausfinden.«
    Fast erschrak Carola Finley nach diesen Worten »Wie können Sie so etwas sagen?«
    »Ich habe es so gemeint.«
    »Aber was können Sie tun?«
    Lady Sarah hob die Schultern. »Ich bin ebenfalls eine alte Frau, doch ich habe vorgesorgt, denn ich bin nicht allein gekommen. Jemand befindet sich in der Nähe, der mir nötige Rückendeckung bei meinen Nachforschungen gibt.«
    »Und wer ist es?«
    Sarah Goldwyn gab noch keine Antwort, denn sie hörte die dumpfen Schläge, die entstehen, wenn schwere, feuchte Erde auf einen Sarg geworfen wird. Diese Geräusche gingen ihr durch und durch. Sie waren so

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