Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
endgültig so deutlich, denn zu Erde und Staub würde der menschliche Körper wieder werden.
    Auch die Sonne hielt sich hinter einer Wolke versteckt, so daß es auf dem kleinen Friedhof dämmrig wurde. Carola faßte nach Lady Sarahs Arm. »Und was haben Sie jetzt vor?«
    »Ich werde mich hier anmelden.«
    »Wie?« Erschrecken zeichnete das Gesicht der Fragerin.
    »Ja, ich will in das Altersheim. Ich bin ideal dafür. Habe keine Verwandten, stehe völlig allein, bin zudem nicht unvermögend, das müßte die Verantwortlichen doch reizen.«
    »Eigentlich schon«, gab Carola zu.
    »Glauben Sie denn, daß ich Chancen habe, hier aufgenommen zu werden?« fragte Lady Sarah.
    »Das kann ich nicht sagen. Setzen Sie sich am besten mit der Everett in Verbindung. Aber sagen Sie nicht, daß wir uns bereits unterhalten haben. Ich gehe jetzt zu den anderen. Wir sprechen uns später.« Ein flüchtiges Lächeln der Hoffnung huschte über Carolas Gesicht, bevor sie sich wieder zu den übrigen Frauen gesellte.
    Sarah Goldwyn blieb allein zurück. Allerdings glaubte sie nicht, daß ihr Gespräch mit Carola Finley unbeobachtet geblieben war. Dafür hatten sich bestimmt einige Frauen interessiert.
    Allmählich löste sich die kleine Trauergemeinde auf. Lady Sarah bekam einen freien Blick auf das Grab, in dem jetzt ihre Freundin Diana Coleman lag.
    Zwei breitschultrige, finstere Kerle standen neben der Offnung und schaufelten Erde hinein. Bald würde nur noch ein lehmiger, rechteckiger Fleck von der neuen Grabstätte künden. Keine Blumen, kein Kranz zierte die letzte Ruhestätte. Sie war von einer erschreckenden Kahlheit gezeichnet.
    Und noch jemand stand am Grab.
    Das mußte Blanche Everett sein. Gesehen hatte die Horror-Oma sie noch nie, aber für sie gab es keine andere Möglichkeit. Niemand sonst sah so streng so herrisch und abweisend aus.
    Abermals trafen sich die Blicke zweier völlig fremder Frauen. War beim ersten Sichtkontakt mit Carola Finley ein Funke übergesprungen, so geschah dies hier nicht.
    Lady Sarah spürte, daß diese Frau mit einem Eisblock zu vergleichen war. Obwohl räumlich ziemlich weit voneinander getrennt, hatte die Horror-Oma das Gefühl, als würde sie von den scharfen Blicken der Blanche Everett regelrecht seziert.
    Sie spürte das Prickeln auf ihrer Haut, und ein gewisses Unbehagen breitete sich in ihrem Innern aus.
    Auch die anderen Frauen hatten gesehen, daß etwas nicht stimmte. Sie waren stehengeblieben, und ihre Blicke glitten zwischen den beiden unterschiedlichen Personen hin und her.
    Nur die männlichen Helfer machten weiter und schaufelten das Grab allmählich zu.
    Dann setzte sich Blanche Everett in Bewegung. Mrs. Goldwyn hatte noch Zeit, sich entsprechende Antworten auf unweigerlich kommende Fragen zurechtzulegen. Während sich die Heimleiterin zwischen den schief stehenden Grabsteinen einherwand, zischte sie den anderen Frauen zu: »Geht in eure Zimmer und macht euch schön für das Sommerfest.«
    Spöttische Worte. Unter anderem merkte auch Lady Sarah diesen beinahe schon beißenden Zynismus der Frau, und Blanche Everett sank noch mehr in ihrer Achtung. Sie wunderte sich auch, daß eine Person wie sie die Heimleitung übernehmen konnte.
    Blanche Everett blieb stehen. Noch eine Körperlänge trennte sie von Mrs. Goldwyn.
    »Guten Tag«, sagte die Frau und musterte die Horror-Oma knapp, wobei ihr Blick auch den Koffer streifte.
    Lady Sarah erwiderte den Gruß. Es gelang ihr, ihrer Stimme ein gewisses Zittern zu verleihen, das auf eine Unsicherheit schließen ließ. So wollte sie auf Blanche Everett wirken und diese in Sicherheit wiegen.
    Die Heimleiterin stellte es mit Genugtuung fest.
    »Was führt Sie hierher?« fragte sie.
    »Ich… ich suche einen Platz.«
    »Wieso?«
    »Im Altersheim. Man hat mir dieses Heim hier empfohlen, und da ich keinerlei Verwandte besitze…«
    »Wer hat Ihnen unser Haus empfohlen?«
    »Eine Freundin, die leider vorhin zu Grabe getragen wurde.«
    Blanche Everett gab ihrem Gesicht einen bedauernden Zug. »Ja, die arme Diana Coleman. Ihr Herz machte plötzlich nicht mehr mit. Vielleicht war es das Wetter. Alte Menschen haben oft damit Schwierigkeiten.«
    Die Frau nickte bedauernd, starrte Lady Sarah an, und fragte sie: »Wie sind Sie hergekommen?«
    »Mit dem Zug.«
    »Und dann?«
    »Mit einem Taxi.«
    »Ich habe keinen Wagen gesehen.«
    »Ich ging den Rest zu Fuß.« Lady Sarah hob die Schultern. »Allerdings weiß ich nicht, ob ich hierbleiben werde…«
    »Weshalb

Weitere Kostenlose Bücher