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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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breit in den Schultern. Kurzgeschnittenes, dunkles Haar, unter dem sein Gesicht leuchtete. Er trug ein kariertes Hemd, hatte die Ärmel hochgekrempelt, und seine Beine steckten in einer grauen Hose.
    Und noch etwas besaß er. Über seine vorgestreckten Arme hatte er Girlanden liegen. Sie leuchteten rot, grün und gelb. Ich wußte sofort Bescheid. Man hatte von dem seltsamen Sommerfest berichtet, das an diesem Abend stattfinden sollte. Lady Sarah hatte mich oft darauf hingewiesen, auch ich las es in dem Brief, den Diana Coleman geschrieben hatte.
    Der Mann wollte den Schmuck für das Sommerfest verteilen. Auf einem Friedhof!
    Der Gedanke war schon pervers. Ich konnte mir vorstellen, wie es sein würde, wenn die alten Menschen zwischen den Grabsteinen tanzten. Das war schon fast ein Totenreigen, und ich schüttelte mich, als ich daran dachte.
    Daß es so etwas gab und von Menschen durchgeführt wurde, hätte ich kaum für möglich gehalten.
    Ein Sommerfest auf dem Friedhof…
    Ich schluckte und beobachtete weiter. Der Mann ging genau nach Plan vor. Er schritt dorthin, wo die Bäume an der mir gegenüberliegenden Seite des Friedhofs wuchsen und holte aus dem Sichtschatten eines Stammes eine Leiter hervor.
    Die lehnte er gegen den Baum und stieg hinauf. Eine rote Girlande hatte er mitgenommen, um sie an einen Ast zu befestigen. Mir war klar, daß ich nicht mehr lange an diesem Fleck ausharren durfte. Schon jetzt war zu erkennen, daß der Mann die Girlanden in ihrer Länge quer über den Friedhof hängen konnte und sie auch an einem der Bäume befestigen würde, hinter denen ich Deckung gefunden hatten. Meinen Platz mußte ich verändern.
    Dabei wollte ich einen Bogen nach links schlagen und schlich geduckt los. Zwangsläufig näherte ich mich der Steilküste. Des Tosen der Brandung wurde lauter. Es hörte sich an wie das Gebrüll eines Tieres aus der Urzeit. Kaum hatte ich das Gelände des Friedhofs verlassen, nahm der Boden unter mir eine andere Form an. Eigentlich die normale, denn er wurde wieder fester und steiniger.
    Leicht stieg er an. Mir gelang es durch einen Blick nach links, das Meer und die vorgelagerten Klippen zu erkennen. Sie wurden von den weißen Schaumstieifen des Wassers umspielt, wenn sie die Wellen brachen. Und auf mich wirkten sie so, als hätten sie helle Kragen bekommen, die stets erneuert wurden.
    Ein wildes Bild, in dem etwas von der Urkraft des Meeres wohnte. Ich bemühte mich stets, den Mann im Auge zu behalten. Er rührte sich nicht von seiner Leiter, sondern war weiter damit beschäftigt, die Girlanden aufzuhängen.
    So hatte ich Zeit, einen großen Bogen zu schlagen und mich dem Ausgang zu nähern, durch den der Knabe gekommen war. Oft genug deckten mich die Bäume, und wenn ich freie Flächen überqueren mußte, tat ich es schnell und geduckt.
    Hin und wieder warf ich einen Blick auf das Haus. Einmal sah ich hinter einer Fensterscheibe etwas blitzen. Was es war, konnte ich nicht erkennen, vielleicht hatte sich ein Sonnenstrahl innerhalb des Fensters gefangen, darüber machte ich mir keine weiteren Sorgen. Ich hätte es machen sollen, aber wer kann schon in die Zukunft schauen? Nicht einmal weit von dem Helfer entfernt huschte ich an ihm vorbei und hörte, daß er mit sich selbst sprach. Er sang sogar, schien gute Laune zu haben, und ich vernahm Reste des Textes. Da war von Totengesang die Rede und von einem Tanz der lebenden Leichen.
    Ich blieb stehen, um weitere Worte zu hören. Den Gefallen tat mir der Mann nicht. Er fluchte nur und beschwerte sich über seine Arbeit. Sehr lange wollte ich auch nicht warten, sondern huschte weiter. Die Tür, die ich ins Auge gefaßt hatte, war nicht mehr fern. Über einen schmalen Weg lief ich auf sie zu und sah sehr schnell, daß der Knabe sie nicht geschlossen hatte.
    Spaltbreit war sie geöffnet.
    Mit der flachen Hand drückte ich sie weiter auf, wobei ich nicht erst groß überlegen konnte, sondern sofort das Haus betreten mußte. Direkt hinter der Tür blieb ich stehen und drückte sie so weit zurück, daß ebenfalls nur der Spalt blieb und ein schmaler Lichtstieifen von draußen hereinfiel, der meine unmittelbare Umgebung ein wenig erhellte. Ich sah vor mir eine schmale Treppe, zählte nur drei Stufen, und danach führte ein Gang weiter in den Keller. Er lief leicht schräg in die Tiefe, wobei er rechts und links von düsteren Mauern eingerahmt wurde. Dunkel war er nicht, denn dort, wo der Gang wahrscheinlich sein Ende gefunden hatte, schimmerte

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