Ein leises boeses Fluestern
sich über ihrem Hüftgürtel Fett vor.
»Die erste Runde spendiere ich«, erklärte Arnold, stand auf und ging zur Bar.
Max fühlte sich unbehaglich. Er und Sally saßen schweigend nebeneinander.
Arnold kehrte mit drei Gläsern Bier und drei Whiskies zurück. Mit einem kurzen Ruck seines Handgelenks leerte Arnold sein Whiskyglas und trank dann den Schaum von seinem Bier ab.
»Was ist in dich gefahren, Arnie?« fragte Max. »Ich habe dich noch nie so gesehen.«
»Hab’ ich dir doch erzählt. Ich werde heiraten. Das ist ein Grund zum Feiern.«
Max nippte an seinem Bier. »Ich wußte gar nicht, daß ihr beide miteinander geht.«
Arnold lachte. »Wir sind ja gar nicht miteinander gegangen. Es ist alles ganz plötzlich gekommen.«
Max hob sein Glas Sally entgegen. »Nun, ich wünsche euch beiden viel Glück.«
Sally lächelte und griff nach ihrem Glas. »Es hat mir leid getan, als ich das von deiner Mutter hörte.«
Plötzlich war es in der Nische sehr heiß. Max fühlte, wie unter seinen Achselhöhlen der Schweiß ausbrach. »Das ist vorbei. Es ist lange her.«
»Wo arbeitest du jetzt?«
»Auf dem Stackpole-Besitz. Ich bin dort für den Sommer als Gärtner angestellt. Louise Appleby und ich kümmern uns um das Haus und den Garten und die dreizehnjährige Tochter. Die Stackpoles machen Urlaub in Aruba.«
»Louise Appleby -.« Sally überlegte. »Ach ja, wir haben gehört, sie hätte eine Bombenstellung. Aber nicht für Geld und nicht für gute Worte würde ich in dem Haus arbeiten.«
»Warum nicht?«
»Es spukt da. Das weiß jeder.«
Arnold klopfte Max auf den Arm. »Sal, reg ihn nicht auf. Er muß Nacht für Nacht in diesem Haus schlafen.«
Sally lachte. Der Whisky hatte eine leichte Röte in ihr Gesicht getrieben. »Ich will dir mal was erzählen.« Sie beugte sich zu ihm und senkte die Stimme. »Mein kleiner Bruder hat im vorigen Herbst die toten Zwillinge gesehen. Er war auf dem Heimweg von der Schule, als sie, deutlich wie aus Fleisch und Blut, unten an der Remise zwischen den Bäumen vortraten. Sie standen einfach da und sahen ihn an. Es hat ihm ganz schön Angst gemacht, kann ich dir sagen.«
»Wie sahen die Zwillinge aus?« fragte Max.
»Irgendwie komisch. Wie aus längst vergangenen Zeiten. Du weißt schon, mit Knickerbocker – der Junge trug Knickerbocker und lange schwarze Strümpfe. Und Knopfstiefel hatten sie an.« Sally leerte ihr Bierglas. »Er hat sich zu Tode erschreckt, mein kleiner Bruder. Mich könnte man nicht dazu bringen, auch nur in die Nähe von diesem Haus zu kommen.«
»Wann hast du zum ersten Mal davon gehört?«
»Nun … ich weiß nicht. Muß schon sehr lange her sein.«
»Hast du davon gehört, ehe dein kleiner Bruder die Zwillinge gesehen hat?«
»Ja, ich glaube schon. Natürlich weiß jeder hier in der Gegend, daß die Kinder in dem Haus spuken.«
»Würdest du wissen, wie sie gekleidet sind, auch wenn dein kleiner Bruder sie nicht gesehen hätte?«
Sally schob schmollend die Unterlippe vor. »Sag mal … denkst du, ich lüge dir etwas vor?«
»Nein, bestimmt nicht«, beeilte Max sich zu versichern. »Vermutlich hat jeder irgendwann einmal von ihnen gesprochen.« Er sah auf seine Uhr. »Ich muß gehen. Clarissa wartet auf mich.«
»Noch einen«, bat Arnold. »Nur noch einen Kurzen. Für Sally und mich.«
Max sah in das gedunsene Gesicht seines Freundes und entdeckte dort eine Traurigkeit, die vorher nicht dagewesen war. »Na klar, Arnie«, antwortete er. »Noch einen Kurzen.«
Arnold ging zur Bar.
»Hoffentlich hat dich das, was ich gesagt habe, nicht aufgeregt«, meinte Sally.
»Natürlich nicht. Alles okay.«
»Bist du eigentlich auf dem College gewesen, wie du es vorhattest? Hast du Gartenbau studiert?«
»Daß du dich daran noch erinnerst!« rief Max überrascht.
Sie lächelte verlegen.
»Ja«, beantwortete er ihre Frage. »Aber nur für ein Jahr. Und es ist schon lange her.«
Mit der Erinnerung an dies eine Jahr auf dem College kam auch die Erinnerung an seine Mutter, und er versank in eine lähmende Depression. Jener Sommer, der Juli, in dem seine Mutter starb, war wie ein Wirklichkeit gewordener Alptraum. Lange Zeit hatte er sich nicht erinnern können, was geschehen war. Er wußte, er hatte sie nicht getötet. Dann hatten sie ihn weggeschickt, und als die Ärzte und die Psychiater sagten, er scheine wieder so ziemlich in Ordnung zu sein, hatte er einen ganzen Winter lang mit einem Lehrer in der Anstaltsbibliothek über Gartenbüchern
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