Ein leises boeses Fluestern
schlich Clarissa auf Zehenspitzen die Treppe hoch in das Wohnzimmer mit der Schiebetür, wohin sie und Max die abgewaschene und schon teilweise polierte Laterne gebracht hatten. Im Dunkeln tastete sie sich an einen Tisch vor und knipste das Licht an. Das polierte Kupfer der Laterne schimmerte. Clarissa kniete nieder und strich mit der Hand über den glänzenden Fuß. »Sie ist so schön«, flüsterte sie. »Ich wußte gar nicht, daß eine Laterne so schön sein kann.«
Sie setzte sich auf den Fußboden und begann, die noch schwarzen Stellen des Kupfers mit einem Flanelltuch und einer Paste zu bearbeiten. Unter ihren Händen verlor das Metall seine Flecken und nahm einen satten Glanz an.
Das machte Clarissa Freude. Sie arbeitete weiter, ohne innezuhalten. Von unten drangen Geräusche an ihr Ohr, schwere Schritte und streitende Stimmen. Sie stand auf, schlich in das Treppenhaus und lugte über das Geländer. Aus der Tür zur Wäschekammer fiel Licht. Clarissa hörte, wie das Wasser im Badezimmer abgestellt wurde. Dann schaltete Louise auch das Licht im Badezimmer aus und ging in die Küche. Gleich darauf verschwand der Schein in der Tür der Wäschekammer.
Clarissa fühlte sich müde und hungrig. Sie flüsterte das Treppenhaus hinunter Louises Namen. Es kam keine Antwort. In der Diele war es dunkel. Clarissa schlich zu ihrer Lampe zurück. Weit unten am Berg hörte sie einen Zug vorbeirattern. Das Haus bebte, und die Fensterscheiben klirrten.
»Ich werde es allein tun«, sagte sie leise vor sich hin und nahm von neuem das Flanelltuch zur Hand. Sie hob das lange, feuchte Haar von ihrem Nacken und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Ich werde die Laterne allein polieren«, verkündete sie laut. »Ihn brauche ich dazu gar nicht.«
VIII
Als Max erwachte, war es dunkel im Zimmer. Er hatte von namenlosen Gesichtern geträumt, die sich an ihn drückten, bis er fast erstickte. Er stand auf und öffnete die Tür. Der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. In der Küche brannte Licht. Im Dunkeln tastete er sich in die Küche. Dort saß Louise am Tisch, ihre dicken Finger umklammerten einen Becher mit Kaffee. Das helle Deckenlicht tat seinen Augen und seinem hämmernden Kopf weh.
»Du siehst aus wie das Leiden Christi«, bemerkte Louise, ohne sich umzudrehen. »Und du stinkst.«
Max setzte sich. »Du hast recht, Louise. Frauen scheinen immer recht zu haben. Es muß ihnen angeboren sein.«
Sie stand auf und goß ihm eine Tasse Kaffee ein. »Trink das!« befahl sie und stellte die dampfende Tasse vor ihn. »Du bist immer noch nicht wieder nüchtern.«
Schweigend tranken sie ihren Kaffee.
Schließlich sagte Max: »Es tut mir leid. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet.«
»Das war verantwortungslos von dir. Du hättest sie nicht allein und zu Fuß nach Hause gehen lassen dürfen. Von der Kirche bis hier ist es ein langer Weg. Es hätte ihr etwas passieren können.«
»Wenn ihr etwas passiert, dann nicht bei einem langen Fußweg nach Hause. Es wird ihr hier in diesem verdammten Haus passieren.«
Louise starrte ihn an. Sie sah in ihrem gewaltigen, marineblauen Bademantel und mit metallenen Lockenwicklern in den Haaren furchterregend aus. Max wünschte, er wäre im Bett geblieben.
»Du bist überzeugt, das Kind werde Schaden nehmen durch etwas, das es gar nicht gibt«, erklärte sie. »Vielleicht hast du nicht genug zu tun. Das bißchen Blumenpflanzen und Unkrautjäten ist ja keine richtige Arbeit.«
Max fühlte einen Schmerz, als habe sie ihm ins Gesicht geschlagen.
»Jetzt bin ich an der Reihe zu sagen, daß es mir leid tut«, gestand Louise reumütig. »Du hast aus dem Garten wirklich allerhand gemacht. Und ich freue mich sehr über den Kräutergarten, den du mir neben der Küchentür angelegt hast. Alles sieht so hübsch aus wie auf einer Ansichtskarte. Aber etwas stimmt nicht mit dir, Max. Du stocherst in Dingen herum, die man besser vergessen sollte.«
Max rieb sich die brennenden Augen und versuchte, klar zu denken. »Ich stochere nicht irgendwo herum. Es starrt mir ins Gesicht, und es macht mich krank, es ansehen zu müssen.«
»Du hast sie gesehen!« keuchte Louise.
»Nein.« Max biß sich des Mißverständnisses wegen auf die Unterlippe. »Aber für Clarissa sind sie ganz wirklich, und ich halte die Sorge, die ich mir deswegen mache, nicht länger aus. Ich finde, wir müssen ihren Eltern schreiben, sie sollten nach Hause kommen.«
»Das können wir nicht tun. Mrs. Stackpole rief heute in
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