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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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würde lieber sterben als sie im Stich lassen. Aber der Junge antwortet, ihr Vater habe sie weggeschickt, weil sie sich nicht richtig benommen habe.«
    »Ist das alles?«
    »Ja. Sie streiten darüber. Ich glaube dem Mädchen. Der Junge will nur alles besser wissen.«
    »Haben deine Freunde Namen?« forschte Max. »Nennst du sie immer nur ›den Jungen‹ und ›das Mädchen‹?«
    »Wir benutzen nie Namen. Sie wissen so viele Dinge, ohne daß sie richtig darüber sprechen, und manchmal, wenn ich mit ihnen zusammen bin, weiß ich es auch. Sie reden auch mich nicht mit Namen an. Wir verstehen uns so.«
    Eine Brise erhob sich. Wolken zogen am Himmel auf und verdeckten die Sonne. Clarissa saß auf dem Gras und zupfte an den gestickten Rosenknospen auf ihrem blauen Kleid. Ihre hängenden Schultern und die ruhelose Bewegung ihrer Finger verrieten Max, wie verwirrt und wie einsam sie war. Es gab zwei Dinge, auf die Max sich verstand. Er konnte Pflanzen wachsen lassen und er konnte die Einsamkeit eines anderen Menschen mitfühlen.
    »Was meinst du, sollen wir die Laterne ausgraben?« fragte er.
    Im Nu stand Clarissa auf den Füßen, faßte seine Hand und zog ihn mit sich fort. Der Wind blies ihr das lange Haar über den Mund und die jetzt strahlenden Augen. »Wir müssen uns beeilen.« Sie hielt ihren Rock fest, den der Wind aufblähte. »Es wird bald regnen.«
    Sie rannten über den Rasen vor dem Haus in Richtung der Autostraße, unter den Ästen der großen Blutbuchen her bis ans Ende des Grundstücks, wo die alte, verfallene Remise stand.
    »Geh nicht hinein«, rief Max. »Warte auf mich!«
    Die Brise wurde kühler und roch nach Regen. Sie kletterten über das Mäuerchen neben der Remise. Die Mauern des alten Bauwerks waren eingesunken; die Tür hing lose an gebrochenen Angeln.
    Max bewegte vorsichtig die Tür. »Das sieht hier aus, als könne jeden Augenblick alles einstürzen.«
    Der Regen prasselte los. Die Tropfen waren groß wie Murmeln. Clarissa zog Max durch die offene Tür.
    »Es gießt!« Sie sah lachend nach draußen. »Ist das ein Spaß!«
    An der Rückwand lagen Haufen von schmutzigem Heu. »Sie sagten, die Laterne liege in der Nähe des Abteils für die Wagen, aber noch auf der Seite, wo die Pferde gestanden haben.« Clarissa stapfte durch den Schutt und grub beide Arme in den Heuhaufen. »Das hier ist der Platz, wo wir sie finden müßten«, stellte sie fest und warf einen Armvoll staubigen Heus auf die Seite.
    Sie wandte sich Max zu, der im Eingang stehengeblieben war, »Willst du mir nicht helfen?«
    In der dämmerigen Beleuchtung suchte Max sich einen Weg in das Wagenabteil. »Sobald ich eine Mistgabel oder etwas Ähnliches gefunden habe.«
    »Du brauchst gar nicht erst zu suchen. Die Wagen und die Werkzeuge sind schon vor Jahren gestohlen worden. Aber von der Laterne wußte niemand.«
    Clarissa erschrak, als eine graue Maus über den schmutzigen Fußboden lief.
    »Laß mich das machen.« Max räumte das Heu von den Futtertrögen weg.
    »Ich fürchte mich nicht.« Clarissa griff von neuem zu. »Das war ja nur eine dumme Feldmaus.«
    Zusammen legten sie die Tröge frei. Die Luft wurde von aufgewirbeltem Staub erfüllt, und das beiseitegeworfene Heu stapelte sich immer höher, bis es durch die offene Tür hinausquoll in den herabstürzenden Regen. Max kam es vor, als sei in dem Heu, dem Staub und der Dunkelheit ein großes Geheimnis verborgen. Es war aufregend, daß er dieses Geheimnis bald entschleiern sollte.
    »Hier sind die Verschläge«, meldete Clarissa. »Die Laterne ist in einem davon. Der andere ist leer.«
    An der Wand standen zwei große Lattenkisten, dunkel und glitschig vor Mehltau. Max zog die eine vor und öffnete den zerbrochenen Deckel. Die Laterne war in Zeitungspapier eingewickelt und mit Stroh und einer Pferdedecke geschützt.
    »Paß auf, was du gleich zu sehen bekommst!« rief Clarissa und öffnete das verkrumpelte Papier. »Sie ist aus geschliffenem Glas mit einer riesigen Glocke und ringsherum mit Kupfer. Deckel und Fuß sind aus Kupfer, und das glänzt so, daß man sich darin spiegeln kann.«
    Max schob die Lattenkiste an die offene Tür, und sie hoben die Laterne ans Licht.
    »Schwer, was?« Clarissa lachte aufgeregt. »Sie sagten mir, sie sei groß. Sie möchten gern sehen, daß sie wieder schön poliert wird.«
    Max überlief eine Gänsehaut bei dem begeisterten Ton von Clarissas Stimme. »Wir wollen den Schmutz abwaschen«, sagte er.
    Sie traten hinaus in den Regen und ließen

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