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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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gesessen.
    Später, nachdem sie es ihm eindringlich und geduldig immer wieder und wieder erklärt hatten, glaubte er selbst, daß ihr Tod ein Unfall gewesen war. Er hatte die Kellertür nicht absichtlich offengelassen. Nichts als ein Unfall war es gewesen, daß er im Keller das Licht ausgeschaltet und die Tür nicht geschlossen hatte, so daß seine Mutter im Dunkeln gestolpert und die Treppe hinuntergefallen war. Es war ein Unfall, ein Unfall, ein Unfall. Er glaubte es jetzt, obwohl es immer noch Zeiten gab, in denen die Alpträume wiederkehrten.
    Max leerte sein drittes Glas. Die schale Luft in der Bar bedrückte ihn und ließ ihn schwitzen. Die körperliche Nähe der beiden anderen in der engen Nische, Sallys Schenkel an seinem, machte ihm heiß. Er schloß die Augen, und nun war es ein längst vergangener Sommer, und er spielte mit anderen jungen Leuten Ringwerfen. Daran hatte er schon lange nicht mehr gedacht, aber plötzlich war er müde und vielleicht ein bißchen betrunken.
    Eine Art Zwielicht senkte sich über seinen Geist. Alle Worte liefen durcheinander, bis er eins nicht mehr vom anderen unterscheiden konnte, bis es ihm nicht mehr gelang, die leeren Gläser zu zählen und sie ordentlich ineinander zu stellen, so daß mehrere zerbrachen, als der ganze Stapel umfiel. Er mußte sich die Hand zerschnitten haben, denn sein Ärmel war blutbefleckt. Er fühlte sich sehr einsam, und er weinte, und o Gott! wie haßte er Clarissa. Sie machte ihn fertig, aber er wollte nicht darüber nachdenken, denn man kann leicht Freunde haben, wenn man den Leuten erlaubt, über einen zu lachen. Soviel wußte er ganz sicher.
    Dort in der Nische sitzend, kämpfte Max darum, seine Unabhängigkeit zurückzugewinnen. Er brauchte den ganzen Nachmittag dazu.

 
VII
     
     
    Um fünf Uhr fiel der Regen wie ein dichter grauer Schleier. Nach der Firmungsprobe hatte Clarissa allein auf Max gewartet und sich dann entschlossen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie wanderte die Straße entlang. Das Haus auf dem Berg war ganz in den warmen Sommerregen eingehüllt. Die Krähen krächzten von den grünen Kiefern und den alten Eichen herunter. Als Clarissa unter den Eichen an der Zufahrt durchging, warf sie einen flüchtigen Blick auf die oberen Fenster. Irgend etwas, ein Schatten vielleicht, der an den Schlafzimmerfenstern im zweiten Stock vorbeihuschte, hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Aber dann war er verschwunden. Das Haus lag dunkel da, und nur die erleuchteten Küchenfenster verrieten Louises Anwesenheit.
    Clarissa stieg die Stufen zur unteren Veranda hinunter, öffnete die Fliegendrahttür und trat in die Diele. Sie schlüpfte aus ihren nassen Schuhen, ging leise in das Badezimmer im Erdgeschoß und trocknete sich Gesicht und Arme mit einem Handtuch. Dann nahm sie ihren Weg durch die Wäschekammer und öffnete die Tür zu Max’ Schlafzimmer. Es war leer.
    »Clarissa!« Louise tauchte hinter ihr auf. »Wo bist du gewesen, Kind?«
    Clarissa schloß die Schlafzimmertür. Sie drehte sich zu Louise um und schlang die Arme um die umfangreiche Taille der Haushälterin. »Ich bin müde«, sagte sie.
    »Und naß.« Louise fuhr mit einer Hand über Clarissas Haar. »Zieh dich um. Ich mache dir einen Kakao. Du wirst dich noch erkälten.« Sie sah das Mädchen forschend an. »Bist du allein nach Hause gekommen? Hat Max dich nicht abgeholt?«
    Clarissa schüttelte den Kopf. »Er ist nicht gekommen.«
    »Und du bist im Regen zu Fuß gegangen.«
    »Es regnet nicht schlimm. Ich bin zu Fuß gegangen, weil Max mich nicht abgeholt hat. Er hatte andere Dinge zu tun.« Clarissa riß sich los und ging durch die Diele in die Küche.
    »Was für andere Dinge?« forschte Louise und folgte ihr.
    »Weiß ich nicht. Vermutlich wird er bald aufkreuzen. Vielleicht hatte er einen Platten.«
    »Es ist schon beinahe Abend.« Louise warf einen Blick auf die Wanduhr. »Das sieht ihm gar nicht ähnlich.«
    »Kann ich jetzt den Kakao haben?«
    »Setz dich an den Tisch, er ist im Nu fertig.«
    Sie hörten die Reifen von Max’ Kombiwagen auf dem Kies der Zufahrt knirschen. Louise seufzte und wischte mit den Händen über ihre Schürze. »Da ist er«, bemerkte sie. »Heil und ganz.« Sie trat an das Eßzimmerfenster und spähte hinaus.
    Clarissa blieb am Tisch sitzen. Sie hörte, wie Max durch die Tür der unteren Veranda ins Haus trat und wie Louise ihn vom Eßzimmer aus mit schneller, ärgerlicher Stimme ansprach. Sie stritten miteinander. Einem plötzlichen Einfall folgend,

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