Ein leises boeses Fluestern
nicht nach Hause gekommen sind. Wir wissen, daß du sie bei dieser Feier gern dabei hättest. Aber man muß im Leben auch mit Enttäuschungen fertig werden.«
Clarissa seufzte schwer und sah aus dem Wagenfenster. »Ich hasse es, wenn mir Predigten gehalten werden. Du redest genau wie mein Vater.«
»Uns allen tut es leid, daß dein Vater nicht hier ist und das Predigen besorgen kann. Es wäre doch schön für ihn, wenn er hier sein und dich die ganze Woche hin zur Kirche und wieder zurück fahren und dann am Sonntag sein kleines Mädchen zur Firmung gehen sehen könnte.« Max hatte ein Summen wie von weit weg in seinen Ohren. Sein Gesicht spannte sich. Er merkte, daß er zu schnell sprach und das, was er eigentlich sagen wollte, nicht in Worte fassen konnte.
Clarissa funkelte ihn an.
»Louise hat sich deinetwegen so viel Mühe gemacht«, fuhr Max fort. »Deine Freundinnen können jederzeit zu Besuch kommen. Wir sorgen für dich wie für eine Prinzessin.«
Clarissa öffnete die Tür und wollte aussteigen.
Max hielt sie am Arm fest. »Wir tun unser bestes«, sagte er.
Clarissa lehnte sich feindselig zurück. »Ich will meine Mutter hier haben. Ich will nicht alles allein machen müssen.«
»Es gibt Dinge, die mußt du allein tun«, erklärte er. »Oder handelt es sich darum, daß du Publikum brauchst?«
Sie wandte ihr Gesicht von ihm ab.
»Du kannst deinen Eltern von der Firmung erzählen, wenn sie nach Hause kommen.« Max wußte, daß das kein Trost war.
»Ja, das kann ich.« Clarissa band sich ein weißes Dreiecktuch um den Kopf und knotete die Enden unter ihrem Kinn fest. »Was meinst du, was Mami sagen wird, wenn sie unsere Laterne sieht!«
»Nun geh. Du wirst zu spät kommen.«
Clarissa stieg aus. »Du bist nicht böse auf mich, oder? Ich will dich ja nicht ärgern. Manchmal bist du wirklich bemerkenswert, und ich mag dich gern, ehrlich.«
»Ich bin nicht böse auf dich.«
Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Können wir heute abend die Laterne fertigpolieren? Ich kann es kaum erwarten, daß sie wieder so glänzt wie früher.«
»Ich habe heute nachmittag andere Dinge zu tun. Vielleicht später am Abend. Nun beeil dich.«
Clarissa lief den Steinweg zur Kirche hinauf. An der Tür drehte sie sich um und winkte. Dann verschwand sie im Inneren.
Auf Max machte der Friedhof neben der Kirche einen deprimierenden Eindruck, als habe soeben eine Beerdigung stattgefunden. Die schwere, dumpfe Luft unter den alten Eichen war zum Ersticken. Er wußte nicht warum, aber der Ort jagte ihm Angst ein.
Seine Hände zitterten, als er in die Stadt fuhr. Er wollte einen neuen Gartenschlauch und eine Spritzdüse und vielleicht ein paar Säcke Kuhdung kaufen. So konnte er die Zeit, die er auf Clarissa warten mußte, nutzen. Allein zum Haus zurückfahren wollte er nicht. In letzter Zeit war er dort nicht gern allein.
Max fuhr durch den dichten Samstagnachmittagsverkehr und parkte vor Clovers Futtermittelgeschäft. Gerade als er eine Münze in die Parkuhr warf, kam Arnold Clover über den Bürgersteig auf ihn zu.
»Sieh mal an, wen man hier trifft.« Arnold legte einen Arm unsicher um Max’ Schultern. Max nahm den scharfen Geruch von Whisky wahr.
»Hei, Arnie. Was hast du denn vor?«
Arnold flüsterte: »Ich genehmige mir ein paar Gläschen.« Er lachte. »Sally und ich haben uns entschlossen zu heiraten.«
Max sah Sally Tolliver vor dem Town-Restaurant stehen. Sie lächelte schüchtern. Sie war eine dünne Frau in einem hellen Baumwollkleid.
»Komm, feiere mit uns.«
»Ich wollte gerade in deinem Laden ein paar Sachen einkaufen, Arnie.«
»Vergiß es«, lachte Arnold. »Der alte Charlie, mein Helfer, schläft vermutlich hinter der Theke. Komm, trink statt dessen einen Schluck mit Sally und mir.«
»In einer Stunde muß ich Clarissa abholen. Sie ist in der Kirche zur Probe für die Firmung.«
Arnold gab Max einen freundschaftlichen Schubs. »Eine Stunde ist eine Menge Zeit.«
»Nur für ein Glas«, gab Max nach. »Ein Glas werde ich sicher trinken können.«
Sie betraten das Restaurant und gingen an mehreren Tischen vorbei zu den Nischen hinter der Bar. Max fand sich in der dämmerigen Ecke zwischen Sally und Arnold wieder. Sally hatte die Hände im Schoß gefaltet und saß ruhig da. Es war viele Jahre her, seit Max Sally Tolliver zuletzt gesehen hatte. Sie waren zusammen in der High School gewesen. Ihre nichtssagende Erscheinung schien seitdem noch weiter verblaßt zu sein. Obwohl sie sehr dünn war, wölbte
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