Ein leises boeses Fluestern
einem Überseegespräch von Aruba aus an und sagte, sie wollten noch für zwei Wochen nach England.«
»O Gott.« Max warf ihr einen Blick voller Verachtung zu. »Vermutlich hast du ihr gesagt, hier sei alles in bester Butter.«
»Das habe ich.« Louise setzte sich gerade hin und kniff die Lippen zusammen. »Und es ist ja auch die reine Wahrheit, abgesehen davon, daß du in ungesunden Dingen herumstocherst.«
Befand er sich in einem Alptraum? Das Summen in seinem Kopf hatte wieder begonnen, und er wußte, er versuchte am besten gar nicht erst, von dem Summen zu sprechen, denn das hatte noch nie jemand verstanden.
Aus Erfahrung wußte er, alles, was er sagte, würde sich töricht anhören, und Louise würde ihn nicht verstehen und ihn auslachen. Aber diesmal waren es nicht seine Gefühle, nicht sein Leben oder seine Sicherheit, für die er Verständnis und Fürsorge und Schutz brauchte.
»Clarissa ist fast den ganzen Tag mit mir zusammen«, tastete er sich langsam vor. »Sie kommt zu mir in den Garten, um mir zuzusehen, um mit mir zu sprechen – einfach, um Gesellschaft zu haben.«
»Und aus mir macht sie sich nichts. Ist es das, was du mir beibringen willst?«
»Ich meine, sie ist gern im Freien. Sie liebt die Blumen und den Sonnenschein. Aber sie stellt mir Fragen, die ich nicht beantworten kann.« Max sah sie mit seinen rotgeränderten, müden Augen an. »Wer erzählt ihr diese Dinge über das Haus und wie sie gelebt haben? Wie ist es möglich, daß sie über sie Bescheid weiß?«
»Das haben wir alles schon einmal gründlich durchgesprochen«, gab Louise seelenruhig zurück. »Die Mädchen in der Schule haben es ihr erzählt. Jeder hätte es ihr erzählen können. Wie die Leute so klatschen.«
»Wissen andere Leute von der Laterne und den Tulpen und dem Wurzelkeller? Und was ist mit der Mutter dieser Zwillinge, Louise? Erzähl mir von ihrer Mutter.«
Louises Gesicht sah unter der Deckenlampe grau aus. »Du weißt genausoviel wie ich«, antwortete sie.
»Erzähl es mir.«
Sie zuckte die Schultern und fuhr sich mit ihren rosigen Fingern über die geschlossenen Augen. »Es heißt, ihre Mutter ist mit einem anderen Mann weggelaufen. Ihr Vater war ein kalter, selbstgerechter Mensch. Er erfuhr, seine Frau sei mit einem anderen Mann auf und davon, und er verfolgte sie den Fluß hinunter bis dahin, wo früher die Fähre anlegte. Aber er kam zu spät. Das Boot hatte schon abgelegt. Er schoß ihnen noch mit einer Pistole nach, doch sie entkamen ihm und kehrten niemals zurück.«
Louise warf sich in Positur. »Das war auch besser so. Ihre Mutter war dunkel wie die Zwillinge und wild. Wahrscheinlich Italienerin. Es heißt, die Leute schnitten sie ihrer Herkunft wegen. Sie paßte nicht in die Familie des Herrn und nicht zu seiner Mutter, die hellhäutig war und der das Haus gehörte.«
Louise schlug die Arme übereinander. Jetzt, wo sie einmal in Fahrt gekommen war, machte es ihr Spaß, die alten Geschichten zu wiederholen. »Nachdem ihre Mutter davongelaufen war, lebten die Zwillinge hier mit ihrem Vater und ihrer Großmutter, und dann und wann kamen eine Tante und ein Onkel zu Besuch. Ihr Vater entließ den Hauslehrer und unterrichtete die Kinder selbst. Er war ein gelehrter Mann. Und dann …«
»Was geschah dann?«
»Darüber sind verschiedene Gerüchte in Umlauf. Manche sagen, die Zwillinge starben an einer Fieberkrankheit, die sie sich geholt hatten, weil sie ständig an den Fluß gingen. Andere behaupten, sie seien ermordet worden.«
»Wer hätte sie ermorden sollen?«
Louise lockerte ihren Bademantel am Hals. Ihre Stirn stand voller glitzernder kleiner Schweißtropfen. Sie schob den leeren Kaffeebecher zurück. »Es wird heiß«, meinte sie und stand auf. Sie öffnete die innere Küchentür und sah nach, ob die Fliegendrahttür richtig zugehakt war. »Es regnet schon wieder.« Sie sah in das Dunkel der Nacht hinaus.
»Wenn du glaubst, die Zwillinge wurden ermordet, weil sie schlecht waren, was werden sie dann deiner Meinung nach von Clarissa wollen?«
Louise drehte sich zu ihm um. »Du bist schlecht, weil du solche Sachen denkst! Ich habe bei solchem widernatürlichen Geschwätz nie hingehört. Als Nächstes setzt du ihr noch Ideen in den jungen Kopf, Ideen, die sie unmöglich verstehen kann.« Louises rundes Gesicht verzerrte sich. Sie begann zu weinen. »Ich hasse dies Haus. Ich wollte, ich wäre niemals hierhergekommen.«
Mit schlappenden Pantoffeln verließ sie die Küche.
Max wurde von Panik
Weitere Kostenlose Bücher