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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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ergriffen. Er lauschte ihren schweren Schritten auf der Treppe, ihrem Klopfen an Clarissas Schlafzimmertür und ihren angstvollen Bitten, die Tür aufzuschließen. Dann schlurfte sie durch den Flur im oberen Stockwerk, durch Mr. und Mrs. Stackpoles Schlafzimmer und öffnete die laut quietschende Spiegeltür. Sie trat in Clarissas dunkles Zimmer ein. Und dann hörte er ihre hysterisch kreischende Stimme: »Sie ist fort! Das Kind liegt nicht im Bett!«

 
IX
     
     
    Max raste die Hintertreppe empor und fand die schluchzende Louise im Flur.
    »Ich habe sie vor Stunden ins Bett geschickt«, keuchte Louise atemlos. »Sie war im Wohnzimmer und polierte die Laterne. Sie war durch und durch naß, und ich steckte sie ins Bett. Das Tablett mit ihrem Abendessen steht noch auf dem Nachttisch. Sie hat nicht einen Bissen angerührt.«
    Max sah auf Clarissas leeres Bett, dann ging er ins Wohnzimmer und schaltete das Licht ein. Es schimmerte auf der Laterne. Er kniete sich an der Stelle hin, wo Clarissa die Kupferpolitur und das Flanelltuch liegengelassen hatte.
    »Die Laterne ist beinahe ganz poliert«, murmelte er vor sich hin. Dann wandte er sich an Louise, die auf der Schwelle stehengeblieben war. »Ob sie irgendwo im Haus ist?«
    »Das Haus ist dunkel. Nicht einmal im Badezimmer ist Licht. Ich habe alle Türen und Fenster überprüft, ehe ich in die Küche ging und mir einen Kaffee machte. Da lag sie noch im Bett.« Louise führte ihr Taschentuch an die Lippen. »Was mag ihr zugestoßen sein?«
    Nervös rieb Max an der Laterne herum. »Glaubst du, sie ist nach draußen gegangen?«
    »Warum sollte sie? Was hätte sie da draußen im Dunkeln verloren? Außerdem regnet es.«
    Max ging durch die Diele, öffnete die Hintertür und schaltete die Lichter auf der Veranda ein. Er hakte die Fliegendrahttür los und trat hinaus. Louise folgte ihm. Hinter dem Geländer der Veranda lag pechschwarze Finsternis. Max langte nach innen und schaltete die Lampen wieder aus. Im Dunkeln lauschten sie dem Rauschen des Sommerregens. Vor ihnen platschten die Tropfen in den Fischteich.
    »Da draußen ist sie nicht.« Louises Stimme brach. »Ich mag nicht hier im Dunkeln stehen. Laß uns hineingehen. Nicht einmal der Mond ist zu sehen.«
    »Clarissa ist nicht im Haus«, erwiderte Max. »Sie würde sich nicht drinnen im Dunkeln verstecken. Absichtlich versteckt sie sich überhaupt nicht vor uns. Sie muß einen Grund gehabt haben, aus dem Haus zu gehen.«
    »Es gibt keinen Grund, weshalb sie nachts im Regen herumlaufen sollte.« Plötzlich wurde Louise ungeduldig. »Ihr seid beide nicht ganz gescheit.« Sie schaltete die Verandabeleuchtung wieder ein und hielt die Fliegendrahttür auf. »Kommst du?«
    Ohne ihr zu antworten, stieg Max die Stufen von der Veranda zur Zufahrt hinunter. Er hörte, wie Louise ihm ängstlich nachrief. Als er den Rasen hinter dem Haus überquerte, wurden sämtliche Lichter im Haus eins nach dem anderen eingeschaltet.
    Der Regen fiel dichter, als er gedacht hatte, aber er war warm. Es war windstill. Er schlug einen Kreis um die Rasenfläche, vorbei an dem Fischteich, der unteren Veranda, über den Hügel, unter dem sich der Wurzelkeller verbarg. Dann kam er an den bewaldeten Teil des Abhangs, der zum Fluß hinunterführte. Ihm fiel ein, was Louise über die Mutter der Zwillinge erzählt hatte, daß sie mit einem anderen Mann fortgelaufen war. Die Mutter und ihr Liebhaber waren mit der Fähre über den Fluß gesetzt. Clarissa hatte gesagt, die Zwillinge hielten sie wach, und eines Nachts sei sie mit ihnen an den Fluß gegangen, um sich ein Dampfboot anzusehen.
    Max rannte über den feuchten Rasen auf die Zufahrt und den schlammigen Weg entlang, der sich an der Flanke des Berges oberhalb des Flusses hinzog. In dem strömenden Regen konnte er kaum sehen, wohin er trat, und er rutschte mehrmals aus. Doch er fand die Abzweigung, die zu dem alten Schienenstrang hinunterführte. Nach Atem ringend blieb er stehen. Die Regentropfen hingen wie dicker Nebel in der Luft. Max wischte sich die nassen Haarsträhnen aus den Augen. Er lauschte. Nicht das geringste Geräusch war zu hören außer dem Regen, und in den Bauernhäusern weiter die Straße hinab war kein Licht zu sehen.
    Er folgte der Bahnlinie, stolperte über die verrotteten Schwellen, balancierte zeitweise über die rostigen, nassen Schienen. Plötzlich blieb er wieder stehen und lauschte in die Nacht hinaus.
    Er rief: »Clarissa!«
    Mit einem Mal brachen die Grillen und Käfer das

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