Ein leises boeses Fluestern
beklemmende Schweigen und ließen sich im hohen Gras hören. Er rief wieder, und jetzt antwortete Clarissa. Ihre Stimme schien vom Fluß her zu kommen.
Max rannte durch das hohe Gras. Dann entdeckte er sie unter einer Baumgruppe. Sie hob einen Arm und winkte ihm.
Sein Herz hämmerte, und seine Lungen brannten. Er eilte am Fluß entlang auf Clarissa zu und rang nach Atem.
Plötzlich wurde er von Zorn überwältigt. Welches Recht hatte Clarissa, mitten in der Nacht das Haus zu verlassen und ihn bei strömendem Regen durch die ganze Gegend zu jagen? Er würde ihr verbieten, das Grundstück zu verlassen, solange ihre Eltern nicht da waren. Sie hatte kein Recht -.
Max setzte sich in Trab. Seine Augen waren auf Clarissas helle Gestalt gerichtet. Das lange nasse Haar hing ihr schwer auf die Schultern. Sie lief ihm entgegen und klammerte sich an ihm fest.
»Sei nicht böse.« Sie weinte an seiner Brust. »Ich konnte dich vor der Kirche nicht finden, und da bin ich allein nach Hause gegangen, und dann warst du nicht da, um die Laterne zu polieren …«
Max hielt sie fest. Er spürte, wie ihr Körper zitterte.
»Ich habe auf dich gewartet. Du wolltest mir doch helfen, die Laterne zu polieren. Und dann wollten wir einen Spaziergang machen.«
Er streichelte ihr nasses Haar. »Ist ja schon gut«, tröstete er sie. Sein Ärger war verflogen.
Clarissa drückte sich naß und schluchzend an ihn. Ihr schmaler Körper in dem langen Nachthemd bebte. Jetzt schien ihm, sein Zorn auf sie sei ungerecht gewesen zu sein. Clarissa in ihrer Jugend und Unschuld brauchte Hilfe, brauchte eine liebende Hand. Er hatte ihr tatsächlich versprochen, sie würden die Laterne zusammen polieren. Dies Versprechen hatte er nicht gehalten. Wenigstens das hätte er für sie tun müssen.
»Jetzt ist alles wieder in Ordnung, Clarissa. Komm, wir gehen nach Hause.«
»Ich habe meinen Schuh verloren.« Sie kniete sich neben dem Weg hin. »Wir sind gerannt, und dabei ist mir ein Schuh weggerutscht.«
Max beugte sich über das hohe Gras und fischte Clarissas Pantolette heraus. »Wohin wolltet ihr?«
»Einmal, als Hochwasser war, ist ein Dampfboot auf den Eisenbahnschienen gefahren. Natürlich regnet es jetzt nicht genug für ein Hochwasser, aber wir wollten es uns doch ansehen.« Clarissa streifte ihren Schuh über. »Man kann nie wissen. Es könnte ja noch einmal passieren.«
»Haben sie dir von dem Hochwasser erzählt?«
»Ja. Das Wasser war so tief, daß das Dampfschiff über die Schienen daherkam.«
Max und Clarissa machten sich auf den Heimweg.
»Ich dachte schon, du wärst flußabwärts gegangen bis dahin, wo die Fähre war.«
»O nein.« Clarissa schien überrascht zu sein. »Das würden wir niemals tun. Sie wollen nicht dahin.«
»Warum?«
»Darüber streiten sie oft. Sie sagt, ihre Mutter wartet dort auf sie. Ich glaube, sie könnten eine hübsche Fahrt mit der Fähre machen. Aber er sagt, die Fähre befördert gar keine Personen mehr, nur noch Kühe und Wagen. Und außerdem sei ihre Mutter gar nicht dort.«
Als sie an die Abzweigung kamen, wollte Clarissa sich eine Weile hinsetzen. »Ich bin so müde«, sagte sie und lehnte sich an Max’ Arm.
»Und du wirst krank werden, wenn du nicht sofort nach Hause und in trockene Sachen kommst.«
Lehmbäche machten den Weg unpassierbar. Sie mußten sich daneben durch hohes Gras und Buschwerk den Abhang hocharbeiten. Oben angelangt, folgten sie dem Weg bis zur Kurve und hatten dann endlich die Zufahrt erreicht.
Das Haus bot einen beruhigenden Anblick. Alle Fenster waren hell erleuchtet.
X
Am Sonntag regnete es immer noch. Am Nachmittag saß Max in seinem vor der Kirche geparkten Kombiwagen und wartete darauf, daß Clarissas Firmung zu Ende ging. Der Regen war warm. Im Inneren des Wagens dampfte es vor Feuchtigkeit. Max stieg aus und blieb eine Weile unter den tropfenden Bäumen stehen. Schließlich, um nicht durch und durch naß zu werden, betrat er die Kirche.
Als Junge war Max sonntagsmorgens gern mit seinen Eltern und seinem Bruder zum Gottesdienst gegangen. Es gefiel ihm, wie sie alle zusammen im Kirchenstuhl saßen und sangen. Sein Vater hatte eine schöne Baritonstimme. Seine Mutter sang ein bißchen falsch. Deshalb sang sie ganz leise, als höre sie aufmerksam auf die anderen und versuche, keinen Fehler zu machen. Auf dem Heimweg hielten sie an Grover’s Pharmacy und kauften die Sunday Times. Beim Bäcker holte seine Mutter ein Dutzend Pfannkuchen, und die Tüte, in der
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