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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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es, dass seine Lehren immer noch lebendig sind? Die chinesische Kultur ist sogar noch älter als der Konfuzianismus. Die Schriftzeichen …
    LEE Die auf Knochen geschrieben wurden.
    SCHMIDT Ja, auf Tierknochen – sind rund zweitausend Jahre vor Christus geschrieben worden. Wie kommt es, dass diese uralte Kultur heute vor Vitalität vibriert? Anders als die Kultur der alten Griechen und Ägypter, die Kultur der Inkas und alle anderen Kulturen, die längst untergegangen sind?
    LEE Ich möchte darauf eine politisch unkorrekte Antwort geben: Weil Griechen und Römer sich im Zuge verschiedener Eroberungen durch Invasoren genetisch verändert haben, durch Einfälle der Osmanen im Osten, der Barbaren im Norden. Die Chinesen dagegen waren derart zahlreich, dass sie Eroberer absorbierten. Kublai Khan oder Dschingis Khan eroberten das Land durch schiere militärische Macht, aber ihre Horden waren klein und wurden durch die chinesische Bevölkerung und die chinesische Kultur aufgesogen. Und sie brauchten die chinesischen Mandarine, um das Land regieren zu können.
    SCHMIDT Loki sagte manchmal im Scherz, Dschingis Khan sei ihr Urahn gewesen.
    LEE (lacht) Was nicht unmöglich ist. Denn er reiste ja kreuz und quer durch die Welt.
    MATTHIAS NASS Ich möchte das Gespräch gern wieder in die Gegenwart lenken und frage nach Pakistan. Es wird von manchen als das gefährlichste Land der Welt betrachtet; es gibt dort einen starken fundamentalistischen Einfluss, und es gibt Atomwaffen.
    SCHMIDT In Pakistan leben annähernd 190 Millionen Menschen, überwiegend Moslems. Mit Afghanistan zusammen bildet es eine gefährliche Region. Auch der Iran ist eine gefährliche Region. Das am wenigsten gefährliche Land ist, soweit ich sehe, Indonesien. Aber wohin entwickelt sich Ägypten mit 70 Millionen Menschen, was wird aus den kleineren Ländern, dem Irak mit 30 Millionen, was wird aus Algerien und Marokko und Libyen?
    LEE Überall geht der Trend zur saudischen Auffassung des Islams.
    SCHMIDT Wir beide werden nicht lang genug leben, um die schmerzhaften Folgen dieser Ausweitung zu erfahren.
    LEE Nein, es passiert bereits zu unseren Lebzeiten. Was wir nicht mehr erleben werden, ist die Reaktion. Das Pendel wird eines Tages in die Gegenrichtung ausschlagen, da bin ich sicher.
    MATTHIAS NASS Sie sagten, die nukleare Abschreckung sei einer der Gründe, weshalb wir den Frieden bewahren konnten. Trifft das auch auf die islamische Welt zu, auf Pakistan und den Iran?
    LEE Man bewahrt den Frieden, wenn man rational denkende, kühl rechnende Generäle und politische Führer hat. Hat man jedoch emotional reagierende Führer und Generäle, dann ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem Krieg kommen wird.
    SCHMIDT Die Frage ist, ob das Prinzip der nuklearen Abschreckung in einer Zeit, in welcher der schiitische Iran Atomwaffen besitzen wird, noch wirksam sein kann. Denn der Iran ist dasjenige Land, das eigenen Atomwaffen am nächsten ist.
    LEE Und die Israelis sind überzeugt, dass er sie gegen sie einsetzen wird. Sie haben noch keine bunkerbrechenden Bomben bekommen. Die Amerikaner haben sie. Aber sie wollen nicht, dass die iranischen Einrichtungen zerstört werden. Daher halte ich es für unvermeidlich, dass der Iran sich das Wissen über die Bombe aneignen und sie vielleicht sogar herstellen wird. Das wird die Welt zu einem gefährlicheren Ort machen.
    MATTHIAS NASS Es gibt eine interessante Entwicklung: Amerika scheint von Öleinfuhren unabhängig zu werden, weil man genügend Ölvorkommen auf eigenem Territorium entdeckt hat.
    LEE Schieferöl.
    MATTHIAS NASS Ja. Die USA brauchen kein saudisches Öl mehr. Verliert der Nahe Osten dadurch nicht strategisch an Bedeutung?
    LEE Nein.
    SCHMIDT Nein. Die übrige Welt wird noch lange Erdöl brauchen.
    LEE Und Amerika wird, glaube ich, nicht genug Schieferöl finden, um sämtliche Einfuhren zu ersetzen.
    SCHMIDT Man kann nie wissen. Ich hatte Ende 2010 Besuch vom damaligen Präsidenten von Brasilien Lula da Silva. Er erzählte mir von Erdöl, das man im Südatlantik gefunden hatte, und dass man dabei sei, es zu fördern. Bis dahin hatte ich noch nie etwas von Ölvorkommen im Südatlantik gehört.
    LEE Aber das brasilianische Öl ist nur mit großem Aufwand zu fördern und kann die weltweite Nachfrage nicht decken.
    SCHMIDT Die Brasilianer waren offensichtlich stolz darauf, die notwendige Technik bereits zu besitzen; dabei können sie auf die Hilfe amerikanischer, britischer und deutscher Partner zählen.

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