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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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1959 zum ersten Mal in Singapur gewesen, habe damals im berühmten Raffles Hotel gewohnt. »Die britischen Kolonialoffiziere gaben vor, Tee zu trinken, dabei tranken sie Whiskey!«
    Abrupt wechselt Schmidt zur Politik, will wissen, wann Lee zum ersten Mal Deng Xiaoping getroffen habe. 1978 sei das gewesen, erwidert Lee, zwei Jahre nach dem Tod Mao Zedongs, als der Vizepremier Deng mit der ökonomischen Umwälzung des Riesenreichs begann. Singapur war Dengs Vorbild, glaubt Lee. Freier Markt und starker Staat, das habe er sich hier abgeschaut.
    1978 war es auch, als Schmidt und Lee Kuan Yew sich kennenlernten. Lee kann sich an die erste Begegnung nicht mehr erinnern. Schmidt dafür umso lebhafter. Er sei damals aus Japan gekommen, auf dem Rückflug habe er in Singapur Station gemacht. Lee habe Loki den Botanischen Garten gezeigt. Ganz überwältigt sei sie gewesen.
    Olaf Ihlau, damals Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, schrieb über das erste Treffen von Schmidt und Lee: »Beide Politiker ähneln einander sehr. Sie sind Tatmenschen und Pragmatiker, Experten in Wirtschaftsfragen und Gegner ideologischer Träumereien. Sie verfügen über eine hohe, schnell zur Ungeduld neigende Intelligenz und tun sich schwer, ihren Hang zur Überheblichkeit zu zügeln. So hat der Chef der südostasiatischen Wohlstandsinsel schon seit langem die Übung aufgegeben, zu Pressekonferenzen zu erscheinen, um möglicherweise lästige Frage beantworten zu müssen. Lee hält Journalisten für ›crackpots‹, für Knallköpfe. Auch in diesem Punkt steht Helmut Schmidt wohl nicht allzu weit von ihm entfernt.«
    Niemand kann in jenen Jahren bestreiten, auch die Knallköpfe nicht, dass Singapur wirtschaftlich aufblüht. Mit aller Härte treibt Lee Kuan Yew nach der Trennung von Malaysia den ehemaligen Außenposten des britischen Empire in die Moderne. Auch George Shultz ist neugierig geworden auf das südostasiatische Wirtschaftswunder. Auf dem Weg zu einem asiatischen Gipfeltreffen macht Amerikas Finanzminister 1972 einen Stopover in Singapur.
    Vierzig Jahre später sitzen wir im Berliner Hotel Adlon, als Shultz davon erzählt. Am Abend, es ist der 24. Mai, wird er den Henry-Kissinger-Preis der American Academy in Empfang nehmen. Auch Kissinger ist in der Stadt. Ebenso Schmidt, er wird die Laudatio auf Shultz halten. Einer fehlt. Lee konnte schon im vergangenen Herbst nicht dabei sein, als sich Schmidt, Shultz und Kissinger in New York trafen.
    Shultz erinnert sich daran, wie die beiden Lees ihm voller Stolz ihre Stadt zeigten und wie er nach seiner Rückkehr Kissinger davon berichtete. »Es lohnt sich sehr, sich mit Lee zu unterhalten, sagte ich zu Henry, der ihn bereits kannte. Wir verstehen uns.«
    Shultz ist der große Organisator, er hat die vier erstmals zusammengeführt. 1982 war das. Helmut Schmidt war noch Bundeskanzler, Shultz war gerade von Ronald Reagan zum Außenminister ernannt worden.
    Er habe damals Schmidt als seinen Gast nach »Bohemian Grove« mitgebracht, einer Art Sommercamp für Amerikas Wirtschafts- und Politikelite im Norden Kaliforniens, bei dem viel getrunken wird, derbe Witze gerissen werden und von Politik und den Geschäften eher wenig die Rede ist. Kissinger habe als seinen Gast Lee Kuan Yew eingeladen. Nach Ende des Camps sei man zum Lunch in Shultz’ Haus auf dem Campus der Universität Stanford gefahren. »Dort haben wir zu viert um meinen Küchentisch gesessen und zwei, drei Stunden lang geredet, bis meine Frau und Choo Lee uns baten aufzustehen, damit sie das Mittagessen zubereiten konnten. Ich habe bei mir gedacht: Was für eine fantastische Lehrstunde für einen neuen Außenminister!«
    Lee Kuan Yew erinnert sich daran, wie sich Schmidt ans Klavier gesetzt und »ohne Noten professionell klassische Musik« gespielt habe. Die vier waren voneinander hingerissen. Eine Freundschaft war geboren, die bis heute hält.
    Schmidt und Shultz kannten sich da schon zehn Jahre. Sie hatten sich 1972 in der »Library Group« getroffen. Vor der Jahreskonferenz von Weltbank und Internationalem Währungsfonds, erzählt George Shultz, wollte er sich in Washington mit den wichtigsten Finanzministern treffen. »Natürlich war Helmut einer von ihnen.« Er lud Schmidt, den Franzosen Valéry Giscard d’Estaing, den Briten Tony Barber und, später, den Japaner Takeo Fukuda zu einer Diskussion beim Lunch am Sonntagmittag ein.
    »Ich erzählte dem Präsidenten davon. Nixon sagte: Gute Idee! Warum geben Sie dem Meeting nicht ein

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